Drogenkonsum
Drogen – 22.09.23

"Endstation Hoffnung" - Ein sicherer Ort für drogensüchtige Jugendliche

Im Betreuten Wohnen in Innsbruck bietet SOS-Kinderdorf Plätze für drogensüchtige Jugendliche an. Sie finden hier einen sicheren Ort, an dem sie akzeptiert werden, wie sie sind.

Drogen gehören für viele Jugendliche zum Erwachsenwerden dazu. Besaufen mit den Freund*innen, Kiffen nach der Schule oder auch eine Ecstasy-Pille im Club. Bei einer "gesunden Entwicklung" stillt der Konsum von Drogen eine gewisse Abenteuer- und Experimentierfreude, erklärt Sozialpädagoge Marko Kliche. Manche Jugendlichen würden Drogen aber auch als Werkzeuge einsetzten, etwa um psychische Symptome zu behandeln, sich selbst zu beruhigen oder aufzuputschen. "Jugendliche haben schon immer mit Drogen experimentiert", sagt auch die Pädagogische Leiterin Gloria Grimm. "Doch heute konsumieren sie risikoreicher. Der Zugang zu einer Vielzahl an Drogen ist durch die Globalisierung sehr viel leichter. Über das Darknet kann praktisch jede beliebige Droge einfach nach Hause bestellt werden". Die Expertin sieht in besonders risikoreichem Konsum vor allem eines: Einen Ruf nach Aufmerksamkeit.

 Die psychischen Belastungen auf jungen Menschen sind enorm. Die Pandemie hat hier einiges sicher verschärft. Unsere Kinder und Jugendlichen wurden in ihren Bedürfnissen und Sorgen nicht gesehen und nicht gehört. Das hat sich auch im Drogenkonsum niedergeschlagen.

Gloria Grimm
Pädagogische Leiterin, Betreutes Wohnen Innsbruck

 

Überlebenssicherung

Gloria und Marko arbeiten in Innsbruck beim Betreuten Wohnen von SOS-Kinderdorf. Das ist ein Angebot, bei dem Jugendliche weitgehend selbstständig in eigenen Wohnungen leben und von Betreuer*innen im Alltag und bei der Verselbstständigung unterstützt werden. Normalerweise passiert das durch Besuche während des Tages. In Innsbruck gibt es aber spezielle Plätze, die für Jugendliche mit Suchterkrankungen reserviert sind. Für sie gibt es neben der Tagesbetreuung einen eigenen Nachtdienst, der jeden Abend bereitsteht. Der Nachtdienst stellt sicher, dass es den Jugendlichen gesundheitlich gut geht. Es wird überprüft ob die Jugendlichen ansprechbar sind, ob sie regelmäßig atmen, ob sie akute Hilfe benötigen. Und die Betreuer*innen setzten Beziehungsangebote, bieten etwa einen Tee oder einen Spaziergang an.

Eine solche Betreuungsform ist österreichweit sehr selten. In den meisten Wohngruppen und Betreuungseinrichtungen herrscht ein striktes Drogenverbot. Selbst fürs Kiffen, kann man aus einer WG fliegen. Doch für manche Jugendliche ist ein Nicht-Konsumieren keine Option. Sie fliegen aus unterschiedlichen Angeboten und erfahren einen Beziehungsabbruch nach dem anderen. Genau diese Jugendlichen finden im Betreuten Wohnen in Innsbruck einen sicheren Hafen. Für viele ist es die "Endstation Hoffnung", wie Gloria meint.

Podcast

Höre das ganze Gespräch mit Gloria und Marko in unserem Podcast, der Dorfrunde. 

 

Akzeptanz erfahren

"Wir verfolgen einen akzeptierenden Ansatz", erklärt Gloria. "Unser oberstes Ziel ist es nicht, die Jugendlichen von den Drogen wegzubekommen. Unser Ziel ist es, ihr Überleben zu sichern. Eine sichere Unterkunft und stabile Beziehungen anzubieten. Das ist oft auch alles, was ein Jugendlicher annehmen kann". Gleichzeitig sind genau diese Dinge so wahnsinnig wichtig. Die Jugendlichen erfahren, dass es einen Ort gibt, an dem sie willkommen sind. Dass es Menschen gibt, denen es nicht egal ist, wie es ihnen geht. "Selbst, wenn die Jugendlichen ein distanziertes Verhältnis zu uns Betreuer*innen aufrechterhalten, so sind sie doch froh, dass zumindest jemand da ist", bestätigt Marko.

Das Betreute Wohnen in Tirol richtet sich an junge Menschen bis zum 21. Geburtstag. Laut den Expert*innen wären Angebote zur weiteren Betreuung sehr wichtig, gerade für junge Menschen. Hier wird aber die eklatante Unterversorgung in der psychosozialen Gesundheitsversorgung sichtbar. "Manche junge Menschen müssen über zwei Jahre auf einen passenden Therapieplatz warten", sagt Gloria. Dabei bräuchten viele von ihnen akut Unterstützung. Die Politik sei hier viel zu kurzsichtig und würde das Thema Drogen gern als Problematik am Rand der Gesellschaft abtun. "Das stimmt aber nicht. Viele unserer Jugendlichen kommen aus dem gehobenen Mittelstand. Es spielt keine Rolle, wie viel Geld es zuhause gibt, wenn die Eltern keine Zeit für ihre Kinder haben."

 

Jungen Menschen zuhören

Laut Gloria und Marko bräuchte es dringend mehr Investitionen in die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Und vor allem bräuchte es eine Gesellschaft, die junge Menschen und ihre Anliegen ernst nimmt. Die sie sieht und ihnen zuhört. Bis dahin finden Jugendliche, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, ein letztes Auffangnetz im Betreuten Wohnen.

 

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