Weltflüchtlingstag – 17.06.21

Kinderrechte in der europäischen Asylpolitik

Anlässlich des Weltflüchtlingstags haben wir den angestrebten EU-Migrationspakt analysiert und Vorschläge für Verbesserungen gemacht.

"Die Lage von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen ist katastrophal - besonders für Kinder", sagte unser Geschäftsführer Christian Moser im Rahmen einer Pressekonferenz im Vorfeld des Weltflüchtlingstags. "Kinder, die in Lagern auf den griechischen Inseln, aber auch in Italien und Spanien aufwachsen, kennen kein normales Leben. Sie waren noch nie in der Schule, kennen keinen Spielplatz. Die Rechte dieser Kinder werden mit Füßen getreten: Auf europäischem Boden, jeden Tag! Als Kinderrechts- und Kinderschutzorganisation können wir das nicht hinnehmen."


Die Rechte dieser Kinder werden mit Füßen getreten: Auf europäischem Boden, jeden Tag!

Christian Moser
Geschäftsführer SOS-Kinderdorf

 

Tatsächlich hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Herbst des vorigen Jahres einen ersten Entwurf für einen neuen Europäischen Migrationspakt vorgelegt. In dem Entwurf wird auch der ‚Vorrang des Kindeswohls‘ betont – ein kleiner Hoffnungsschimmer, doch es gibt noch viel zu tun, um wirklich sicherzustellen, dass die Rechte von Kindern auf der Flucht gewahrt bleiben. SOS-Kinderdorf hat auf Basis des Migrationspakts Empfehlungen ausgearbeitet, um die europäische Asylpolitik künftig so zu gestalten, dass Kinder auch tatsächlich geschützt werden.

 

Sicheres Ankommen und kinderrechtskonforme Unterbringung

"Es ist unbedingt notwendig, dass alle Kinder unter 18 Jahren unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Europäischen Union in kindgerechte Quartiere gebracht werden, die den Kinderschutz garantieren und die notwendige Ausstattung, Betreuung und Unterstützung bieten", so Moser. "Das bedeutet auch, dass alle Minderjährigen von den an den EU-Außengrenzen vorgesehenen Pre-Entry-Screenings unbedingt auszunehmen sind." Der Entwurf des neuen Migrationspaktes sieht vor, dass alle Menschen ab 12 Jahren ein Schnellverfahren durchlaufen, bei dem geklärt wird, ob ein Asylverfahren überhaupt in Frage kommt. Danach sollen auch die Asylverfahren selbst künftig direkt an der Grenze abgehandelt werden. Betroffene könnten dazu bis zu sechs Monaten an Ort und Stelle festgehalten werden.


Es ist unbedingt notwendig, dass alle Kinder unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Europäischen Union in kindgerechte Quartiere gebracht werden, die den Kinderschutz garantieren. 

Christian Moser
Geschäftsführer SOS-Kinderdorf

 

"Konkret erwarten wir uns, dass jedem Kind, dass alleine ankommt, sofort eine mit der Obsorge betraute Person zur Seite gestellt wird. In einer kindgerechten Einrichtung erfolgt eine Identitätsfeststellung und ein Gesundheitscheck. Innerhalb von 24 Stunden soll das Kind in ein kindgerechtes Quartier überstellt werden, wo ein Team aus KinderärztInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen und DolmetscherInnen die dringendsten Versorgungs- und Unterstützungsnotwendigkeiten definiert. Nach spätestens 6 Wochen soll eine Entscheidung über den Asylantrag im Ankunftsland vorliegen oder eine dem Kindeswohl entsprechende Weiterleitung an einen anderen EU-Mitgliedsstaat. Von Beginn an gilt es, ein regelmäßiges Bildungs- und Freizeitangebot zu unterbreiten, um eine zumindest vorläufige Tagesstruktur zu bieten", sagt Moser.

 

Europäischer Solidaritätspool für eine strukturierte Verteilung

Spätestens nach 8 Wochen soll eine finale kinderrechtskonforme Unterbringung und Betreuung garantiert sein. "Nur so können wir Kindern ermöglichen, an einem Ort anzukommen und die Zukunftsperspektiven zu entwickeln", so Moser. Damit ausreichend kinderrechtskonforme Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen, empfiehlt SOS-Kinderdorf einen permanenten europäischen Solidaritätspool für besonders gefährdete Gruppen, wie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Familien mit minderjährigen Kindern. In diesen Solidaritätspool sollen Nationalstaaten, genauso aber Kommunen und Gemeinden freie Kapazitäten einmelden können. In ganz Europa und gerade auch in Österreich gibt es zahlreiche lokale Initiativen, die einen Beitrag zur Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen leisten möchten und können. "Wir sind überzeugt, dass dies ein realistischer Weg ist, um die Situation an den EU-Außengrenzen zu entschärfen und menschen- und kinderrechtskonforme Unterkünfte und Betreuungsangebote zu schaffen", betont Moser.
 

Laufende Kontrolle auf europäischer Ebene

Damit sichergestellt wird, dass das sichere Ankommen an den Außengrenzen, genauso wie die langfristige Unterbringung und Betreuung in den Nationalstaaten den Kinderrechten entspricht, empfiehlt SOS-Kinderdorf ein unabhängiges Kontrollsystem auf europäischer Ebene. Wichtig dabei ist, dass eine Institution, die an EU-Recht gebunden ist, als unabhängige Einrichtung von außen Kontrollen durchführt und dabei Menschen- und Kinderrechtsorganisationen miteinbezieht.
 

Kinderrechte gelten für alle Kinder

"Jedes Kind ist gleich viel Wert und hat ein Recht auf besonderen Schutz. Die österreichische Regierung hat die Möglichkeit und die Chance, den neuen Migrationspakt im Sinne der Kinderrechte mitzugestalten und eine Umsetzung einer entsprechenden Unterbringung und Betreuung möglich zu machen. Wir appellieren an die Verantwortlichen in Österreich und Brüssel, diese große Verantwortung wahrzunehmen und sich mit aller Kraft für die Kinderrechte in der europäischen Politik einzusetzen", so Moser abschließend.

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