Teenager Verzweiflung
Psychische Gesundheit – 10.10.23

Krisenalarm: SOS-Kinderdorf zum Tag der psychischen Gesundheit

Am Tag der psychischen Gesundheit machen wir einmal mehr auf die dramatische Situation bei Kindern und Jugendlichen in Österreich aufmerksam.

Laufend erscheinen neue Studien, die Anlass zur immer größerer Besorgnis geben. Angstzustände, Suizidgedanken, Schlafstörungen, autoaggressives Verhalten, Essstörungen und Panikattacken aber auch mangelnde Zukunftsperspektiven und Einsamkeit sind mittlerweile Teil des Lebens von fast der Hälfte der jungen Menschen in Österreich.

  Eine psychische Erkrankung ist kein Schnupfen. Das wird nicht nach einer Woche wieder gut.

Christian Moser
Geschäftsführer SOS-Kinderdorf Österreich

 

Christian Moser weiter: "Vielmehr haben wir hier eine Gesundheitskrise, die offenbar außer Kontrolle geraten ist. Das Gesundheitssystem ist mit der Situation völlig überfordert. Es gibt viel zu wenig stationäre Plätze für erkrankte Kinder und Jugendliche, auf Therapien, erst recht kassenfinanzierte, wartet man oft monatelang. Der Ausbau geht viel zu langsam. Da müssten doch bei den politisch Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen.“

Schulsystem mittlerweile kindeswohlgefährdend?

Massiven Aufholbedarf gibt es laut Moser auch bei der Prävention. Das Schulsystem etwa sei der größte Belastungsfaktor für Kinder und Jugendliche überhaupt. Trotzdem gebe es dort nur vereinzelt innovative Projekte, grundlegend ändern würde sich aber nichts.

„Es stellt sich die Frage, ob man unser Schulsystem mittlerweile tatsächlich schon als kindeswohlgefährdend einstufen muss. Ja, das zu sagen ist provokativ, doch wenn man sich die empirischen Daten anschaut, liegt dieser Schluss nahe.“

Ansetzen müsste man beim Thema psychische Gesundheit allerdings schon vor der Schulzeit und zwar so früh wie möglich, sagt Moser. Hier gebe es durchaus Ansätze, die schon vor der Geburt und in der frühkindlichen Phase zu mehr Stabilität und Sicherheit für die Eltern und damit die Kinder führen.

„Im Rahmen der Gesetzesnovelle zum elektronischen Eltern-Kind-Pass haben wir im Frühsommer auf die immense Bedeutung von medizinischen Screenings zu psychischen Belastungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt hingewiesen. Die Regierung ist hier gefordert, einen Grundstein für das psychische Wohlbefinden von Familien zu legen, der in vielen Staaten längst etabliert ist. Mehr als 20% aller jungen Mütter und 10% aller jungen Väter erleben die sogenannten prä- und postnatale Phase als psychisch belastend. Viele davon erkranken an Depressionen. Das sind dramatische Zahlen, die im derzeitigen medizinischen Versorgungssystem nicht ansatzweise aufgefangen und adäquat behandelt werden können. Daran ändern auch die neuen Beratungsangebote des Eltern-Kind-Passes nichts.“

Familien leiden massiv unter Teuerungen

Dabei sind die Zeiten für Familien auch so schon schwierig genug. Materielle Not sei in Österreich keine Propaganda, sondern ein reales Problem, so Moser: „Wir wissen aus unserer mobilen Arbeit, wie massiv Familien unter den Teuerungen leiden. Aufgrund von gestiegenen Wohn- und Energiekosten driften viele in die Armut ab, die sich das vor Kurzem noch nicht hätten vorstellen können. Die Sorgen vieler Eltern, ihren Kindern künftig Schul- oder Freizeitaktivitäten, Bekleidung oder gesundes, ausgewogenes Essen nicht mehr garantieren zu können, wachsen stetig.“

Für Moser sind es also multiple Belastungen mit denen gerade Familien besonders zu kämpfen haben. „Bleiben sie ohne Unterstützung, haben wir psychische Langzeitfolgen bei Kindern bis ins Jugend- und Erwachsenenalter. Es hilft nicht ein Bonus hier oder eine Sonderzahlung da. Was es braucht ist ein umfassendes und verantwortungsvolles Gegensteuern der Politik. Sonst bekommen wir die psychische Gesundheitskrise nicht in den Griff.

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