(c) Andreas Hechenberger
Forderung – 23.02.17

Asylverfahrensdauer für Kinder unzumutbar

Geflüchtete Kinder und Jugendliche werden jahrelang in Ungewissheit über ihre Zukunft gelassen und ihre Integration in Österreich erschwert. Wir fordern deshalb schnellere Verfahren.

Morteza ist neun Jahre alt und ist im Sommer 2015 ohne seine Eltern nach Österreich geflüchtet. Seither sind rund 20 Monate vergangen und Morteza weiß noch immer nicht, ob er in Österreich bleiben kann. Für ihn heißt es weiterhin abwarten, wahrscheinlich noch viele Monate, denn bisher hat noch nicht einmal das Asylinterview stattgefunden.

Geflüchtete Kinder und Jugendliche werden Jahrelang in Ungewissheit über ihre Zukunft gelassen und ihre Integration in Österreich erschwert. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Datenerhebung bei SOS-Kinderdorf zur Asylverfahrensdauer. Nur bei einem kleinen Teil der rund 260 unbegleiteten Minderjährigen, die SOS-Kinderdorf seit dem Sommer 2015 aufgenommen hat, wurde das Asylverfahren bereits abgeschlossen. Für den Großteil heißt es Warten – zum Teil seit über 20 Monaten.
 

Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren erforderlich

"Ein geflüchtetes Kind, dass ohne Eltern in einem fremden Land lebt, gut zwei Jahre lange auf einen Asylbescheid warten zu lassen, ist absolut unzumutbar", so Klingan. "Geflüchtete Kinder und Jugendliche haben in der Heimat und auf der Flucht sehr schwere Zeiten erlebt und werden nun in Österreich weiterhin in großer Unsicherheit über ihre Zukunft gelassen." Sie müssen weiterhin in Angst über ihre Zukunft leben. Sie haben Schwierigkeiten sich auf Beziehungen einzulassen, leiden unter Schlafstörungen und Albträumen und haben Nachteile in der Bildung.


"Wir fordern, dass Asylverfahren für Kinder von spezialisierten Mitarbeitern, in Form kindgerechter Befragungen durchgeführt werden.“

Clemens Klingan


„Für diese besonders schutzbedürftige Gruppe müssen Verfahren in einem Zeitrahmen von längsten sechs Monaten abgewickelt werden können.“


Integration erschwert

"Wir erwarten von Menschen, die neu in Österreich sind, dass sie sich möglichst schnell in die Gesellschaft einfügen. Doch wie soll das gelingen, wenn wir sie über Jahre hinweg in der Ungewissheit lassen, ob sie überhaupt in Österreich bleiben können und wir vor allem Jugendliche Flüchtlinge zum Nichtstun zwingen“.

Gerade Jugendliche Flüchtlinge, die sich in einem laufenden Asylverfahren befinden, können meist nur Abwarten und Nichtstun. Sobald die Schulpflicht nach dem neunten Schuljahr bzw. mit 15 Jahren endet, gibt es meist keine weiteren Bildungsmöglichkeiten. Durch die fehlende Arbeitserlaubnis, ist auch eine berufliche Tätigkeit oder Lehrausbildung nicht möglich. Auch die seit August 2016 geltende Ausbildungspflicht bis zum 18 Lebensjahr gilt für Asylsuchende nicht.

Neben der Unsicherheit und psychischen Belastung bedeutet ein laufendes Asylverfahren auch, dass diesen Kinder und Jugendlichen das Recht auf Familie verwehrt bleibt. Solange kein positiver Asylstatus vorliegt, ist eine Familienzusammenführung nicht möglich.
 

 
Links:Clemens Klingan, Rechts: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Clearing-house in Salzburg
 

Zwei Drittel warten noch auf Asylinterview

Im Rahmen der Datenerhebung wurden die Fälle von 263 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit Sommer 2015 bei SOS-Kinderdorf untergebracht wurden, analysiert. Mitte Februar 2017 haben lediglich 36 Kinder und Jugendlichen einen positiven Asylbescheid erhalten. 45 Kinder und Jugendliche haben einen negativen Asylbescheid erhalten, 38 davon haben jedoch Subsidiären Schutz und können daher in Österreich bleiben.

Alle anderen 182 geflüchteten Kinder und Jugendlichen, also mehr als zwei Drittel, befinden sich weiterhin in einem laufenden Asylverfahren. Der Großteil davon wurde bisher, also nach rund einem bis eineinhalb Jahren, noch nicht einmal zum Asylinterview eingeladen und muss daher damit rechnen, dass die Verfahrensdauer noch weitere Monate, wenn nicht Jahre dauern wird.
 

Unterschiede nach Bundesländer

Bei genauerer Betrachtung der Asylverfahren, der bei SOS-Kinderdorf lebenden Kinder und Jugendlichen, zeigt sich, dass die Dauer je nach Bundesland variiert. Während in Tirol und Vorarlberg bereits viele der geflüchteten Kinder und Jugendlichen, die seit dem Sommer 2015 bei SOS-Kinderdorf aufgenommen wurden, ihr Asylverfahren abgeschlossen haben, ist die Situation in Wien, Oberösterreich, dem Burgenland und Kärnten besonders schlecht.

In Oberösterreich wurde bisher kein einziges Flüchtlingskind, das bei SOS-Kinderdorf lebt, zu einem Asylinterview eingeladen. Salzburg und Niederösterreich liegen im Mittelfeld. In der Steiermark gibt es nur eine sehr kleine Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die bei SOS-Kinderdorf untergebracht sind.