"Bei Buben sind Probleme sichtbarer"

Warum es in Wohngruppen manchmal zu Geschlechtertrennung kommt erklärt Sozialpädagoge Gerald Stöckl.

Gerald Stöckl leitet zwei Jugend-Wohngruppen von SOS-Kinderdorf in Kärnten.
Bei SOS-Kinderdorf gibt es neben gemischten WGs auch Buben- bzw. Mädchen-WGs. Ist das noch zeitgemäß?

Ja. Die Trennung nach Geschlechtern hat sich bei Jugendlichen, die in ihren Familien großen Belastungen ausgesetzt waren, bewährt. Wir können so spezifischer auf ihre Probleme eingehen. Für andere ist eine gemischte Form der Unterbringung besser – es ist gut und sinnvoll, beides anzubieten.

Was sind denn die spezifischen Probleme in einer Buben- WG bzw. Mädchen-WG?

Die Grundproblematiken sind ähnlich – geringes Selbstwertgefühl, wenig Zukunftsperspektiven, kaum Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Bei der Sichtbarkeit der Probleme gibt es allerdings sehr große Unterschiede. Bei Buben sind diese viel augenscheinlicher. Sie zeigen sich etwa durch Aggression. Zudem haben Buben oft wenig Kompetenz zur Kommunikation, sie tun sich oft schwer, auszudrücken, wie es ihnen geht.

Wie kommt man an diese Buben heran?

Wichtig ist es, die Jugendlichen so anzunehmen, wie sie sind. Nur so ist es überhaupt möglich, eine
Beziehung aufzubauen. Über Sport oder gemeinsame Aktivitäten gelingt das oft ganz gut. Und nach und
nach lassen dann auch Buben Gefühle zu. Und dann heißt es dranbleiben.

Welche Rolle spielt  Psychotherapie?

Die Ablehnung ist bei Buben zum Teil sehr groß. Ihnen muss klar werden: Man ist nicht psychisch krank, nur weil man eine Therapie macht. Tun sich Buben mit männlichen Betreuern leichter als mit Frauen? Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Grundsätzlich glaube ich, dass Kinder und Jugendliche beides brauchen – weibliche und männliche Vorbilder. Im sozialpädagogischen Bereich wären wir froh, wenn es mehr männliche Betreuer geben würde – für Buben und Mädchen.

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