So bringt Sie der Kleidungsstil ihres Kindes nicht aus der Ruhe

Zu kurz, zu lässig, zu aufreizend, zu weit, zu lang. Viele Eltern diskutieren beinahe täglich mit ihren Teenagern über deren Kleiderwahl. Dabei fallen Sätze wie „So gehst du mir sicher nicht aus dem Haus!“ oder „Was denken denn deine Lehrer*innen von dir, wenn du so zur Schule kommst?“. Streit ist dabei vorprogrammiert. Aber wie schafft man es als Elternteil, ruhig und vor allem mit dem Nachwuchs im Gespräch zu bleiben?

Für Eltern ist es oft ein schmaler Grat, wie viel an Freiheit sie ihren Kindern in Bezug auf die Kleiderwahl zugestehen. Ist die Jogginghose in der Schule oder bloß das bauchfreie Top im Winter unter der Jacke in Ordnung? Seien Sie beruhigt: Es gibt nicht die eine richtige oder falsche Lösung. Es kommt auf die jeweilige Situation an. Seien Sie als Mama und Papa ein Vorbild und zeigen Sie den Kindern, bei welchen Anlässen eine gewisse Kleiderwahl angemessen ist. Was in der Schule, der Lehre oder bei einem Vorstellungsgespräch als unpassend erscheint, kann in der Freizeit, bei Treffen mit Freunden völlig in Ordnung sein. Wenn es sich zum Beispiel um ein Vorstellungsgespräch handelt, so ist es auch die Aufgabe als Erziehungsberechtigte*r, eine zu lässige oder zu aufreizende Kleidung nicht zu tolerieren. „Bleiben Sie in so einem Gespräch ruhig und erklären Sie ihrem Teenager ihre Beweggründe. Äußern Sie Bedenken und sprechen Sie keinesfalls Verbote aus. Zeigen Sie gegebenenfalls die Außenwirkung des gewählten Kleiderstückes auf“, sagt Christina Kern, Mitarbeiterin im SOS-Kinderdorf Altmünster.

Die Expertin hat Tipps, wie die Diskussion um die Kleiderfrage stressfrei ablaufen kann:

#1 - Grundregeln festlegen

In manchen Situationen ist es notwendig, klar Stellung zu beziehen. Erläutern Sie dabei immer genau, wieso Sie etwas nicht erlauben können oder wollen. Halten Sie dann auch an dieser Meinung fest, denn nur so vermitteln Sie ihrem Kind Sicherheit. Ausnahmen gibt es aber auch hier – denn es kann auch sein, dass Ihr Kind Sie mit Argumenten überzeugt, die Ihnen vielleicht bisher noch nicht bewusst waren oder Ihnen eine neue Perspektive ermöglichen. Erklären Sie aber auch dann, wieso Sie jetzt in dieser Situation anders handeln. Als Elternteil gilt auch beim Thema Kleidung: Vertreten Sie Ihre Überzeugungen authentisch und ehrlich. Auch wenn Sie möglicherweise zum Langweiler oder zur Spielverderberin degradiert werden.

#2 - Kleidung als wichtige Botschaft

Halten Sie sich vor Augen, wieso gerade Teenager mit Kleidung experimentieren und ihre Grenzen austesten. Mode dient der Selbstinszenierung, der Abgrenzung von Erwachsenen, ist ein Ausdruck der Persönlichkeit und trägt zur Identitätsfindung bei. Für viele Jugendliche hat Mode zudem symbolischen Charakter. Durch Kleidung tragen sie ihr Inneres nach außen und erhalten Reaktionen von ihrer Umgebung, was wiederum Sicherheit und Zugehörigkeit bietet. Unterstützen Sie Ihren Nachwuchs dabei, einen eigenen Geschmack und ein Wohlfühlgefühl zu entwickeln. 

#3 - Gewusst wie

Tägliche Diskussionen über das Outfit kosten Kraft und Energie. Egal, ob mit Teenagern oder Volksschulkindern - als Erwachsener stößt man hier schnell an seine Grenzen. Die einen versuchen sich mit ihrer Kleidung gegen die Erwachsenenwelt aufzulehnen, die anderen wollen sich allein anziehen können. Statt die Nerven zu verlieren, bestärken Sie Ihren Nachwuchs darin, dem eigenen Geschmack zu vertrauen und für sich einen Stil zu finden. Denn darf Ihr Kind das tragen, was ihm/ihr gefällt und worin er/sie sich wohlfühlt, entwickelt es Selbstbewusstsein und -vertrauen.

#4 - Budget festlegen

Der Geschmack von Jugendlichen definiert sich meist über Vorbilder. Waren es früher noch Stars und Models in den Zeitschriften, sind es heute Influencer*innen auf diversen Social-Media-Kanälen. Dabei kann der neueste Trend auch schon ganz schön das Budget belasten. Unterstützen Sie Ihren Nachwuchs dabei, einen Bezug zu Geld und ein Gespür für Kleiderkosten zu entwickeln. Legen Sie beispielsweise ein Budget für die Outfits fest. Alles, was darüber hinaus geht finanzieren sich die Jugendlichen dann vom Taschengeld. Dies ist vor allem auch im Hinblick auf teure Markenkleidung ein fairer Kompromiss. Denn das Budget sollte keineswegs bestimmte Kleidung beinhalten, sondern lediglich den finanziellen Rahmen bieten. Die Kinder und Jugendlichen können sich davon kaufen, was auch immer ihnen gefällt. Ist Ihnen ein bestimmtes Kleidungsstück so viel wert, dann steuern sie den Differenzbetrag vom eigenen Taschengeld bei. So fördern Sie die Eigenständigkeit Ihres Kindes.

#5 - Offenheit statt Heimlichkeit

Vor allem bei pubertierenden Kindern ist es als Elternteil wichtig, der Kleiderwahl offen gegenüberzustehen. Je mehr Sie sich auf das Thema einlassen, desto eher wird Ihnen Ihr Kind auch seinen Geschmack, seine Wünsche anvertrauen. Zeigen Sie Interesse an neuer Kleidung, auch wenn sie Ihnen vielleicht im ersten Moment nicht gefällt. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber und werfen Sie ein paar Ideen im Hinblick auf Kombinationen ein. Zum Beispiel könnte man über das bauchfreie Top eine lässige Jacke tragen, die in der Schule geschlossen und auf dem Nachhauseweg geöffnet werden kann. Auch wenn der Nachwuchs möglicherweise nicht alle Tipps annimmt, so nehmen Sie ihm dennoch das Gefühl, er müsse die Kleidung verstecken oder sich heimlich auf dem Schulweg um- bzw. anziehen.

#6 - Nähe statt Distanz

Bei einigen Teenagern ist aber auch gemeinsames Einkaufen beliebt. Zeigen Sie Präsenz und Interesse. Erfahren Sie von Ihren Jüngsten, was gerade angesagt ist und was ihnen gefällt. Lassen Sie ihr Kind dabei auch alles probieren und schränken Sie es bei der ersten Auswahl für die Umkleidekabine nicht ein. Vielmehr: Lassen Sie sich vom glücklichen und zufriedenen Lächeln Ihres Kindes mitreißen und anstecken. Das gemeinsame Einkaufen – sofern Ihr Kind das auch möchte – erlaubt es Ihnen, Einfluss zu nehmen. Aber auch hier gilt: nicht kritisieren, sondern Ideen einbringen. Bleiben Sie im Gespräch und kombinieren Sie die Outfits mehrfach, bis das Richtige dabei ist, womit sich alle wohlfühlen.

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