Vatertag – 06.06.23

Abwesende Väter hinterlassen Lücken

Auch wenn Kinder nicht bei Mama und Papa aufwachsen können, bleiben die Eltern ein wichtiger Teil im Aufwachsen der Kinder. Deshalb spielt die Arbeit mit den leiblichen Eltern im SOS-Kinderdorf eine zentrale Rolle.

In der Wohngemeinschaft Tipi in Absam finden acht Kinder, die aus verschiedenen Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können, ein liebevolles Zuhause.  Wer glaubt, dass der Kontakt zu Mama und Papa deshalb abgebrochen ist, liegt falsch. „Eltern bleiben immer die Eltern und es ist nicht unser Ziel, sie zu ersetzen“, erklärt Lukas Schalk, seit drei Jahren Sozialpädagoge im Tipi. „Abwesende Eltern hinterlassen immer eine große Lücke im Leben von Kindern. Besonders oft betrifft das leider die Väter. Deshalb betreiben wir sogenannte Elternarbeit, um den Kontakt zu ihnen aktiv zu fördern.“


Eltern nicht alleine lassen

Bereits vor über 25 Jahren hat SOS-Kinderdorf in Österreich begonnen, Eltern aktiv in die Betreuung miteinzubeziehen – heute ist die Elternarbeit integrativer Bestandteil aller Betreuungskonzepte. Unabhängig davon, ob eine Rückkehr der Kinder zur Familie möglich ist, wird kontinuierlich mit den Eltern gearbeitet, um die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern zu festigen und Besuchskontakte zu ermöglichen.  Nicole Hilby, Fachbeauftrage für Psychotherapie im SOS-Kinderdorf, erklärt: „Den meisten Eltern, die von einer Kindeswegnahme betroffen sind, ist bewusst, dass sie an sich arbeiten müssen. Oft stehen dem anfangs Scham und Schuldgefühle im Weg. Uns ist es wichtig, diesen negativen Gefühlen in regelmäßigen Elterngesprächen von Beginn an Raum zu geben. Wir bestärken die Eltern darin, dass sie nicht alles alleine schaffen müssen und dass sie bisher alles gemacht haben, was ihnen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ihrer sonstigen Ressourcen zur Verfügung steht.“ Die Herausforderungen mit denen die Familien zu kämpfen haben, sind sehr individuell. SOS-Kinderdorf unterstützt die Eltern deshalb dabei ihre Entwicklungsziele selbst zu finden und dann diese zu erreichen. „Viele Probleme mit denen Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit kämpfen, haben ihre Wurzeln in ihrer eigenen Biographie. Teils leiden Eltern selbst an bisher unbearbeiteten Traumata“, so Hilby.


Kinder wollen, dass es Eltern gut geht

Auch für die Kinder ist es wichtig zu wissen, dass ihren Eltern geholfen wird. Die Probleme zuhause gehen an ihnen nicht spurlos vorbei und häufig fühlen sie sich unbewusst mitverantwortlich. „Kinder machen sich oft große Sorgen um ihre Eltern. Sie fragen aktiv nach, wann der Papa oder die Mama wieder zum Gespräch kommt. Sie erleben es als positiv, dass auch ihre Eltern unterstützt werden. Gleichzeitig sind sie dadurch nicht alleinige Symptomträger einer Familie, das heißt, nicht nur sie müssen sich ändern, damit ein Zusammenleben wieder möglich wird“, erzählt Hilby.

Sozialpädagoge Lukas Schalk und Fachbeauftragte für Psychotherapie und Psychologin Nicole Hilby. In der WG Tipi in Absam gibt es einen eigenen Raum, in dem Elterngespräche geführt werden oder Besuchskontakte stattfinden.


Gemeinsame Erlebnisse statt Spielsachen

Bisher waren alle Eltern bereit, die zusätzliche Unterstützung im Tipi anzunehmen – manche früher, manche später. „Wir sind immer verlässlich für die Eltern da. Über die Zeit wird ein stabiles Vertrauen aufgebaut. Es klappt dann auch immer besser, die Besuchszeiten gut zu nutzen und den Fokus auf das Wesentliche zu setzen“, erzählt Schalk. Statt die Kinder mit Spielsachen zu überhäufen, wird den Vätern und Müttern vermittelt, wie wichtig es ist, im Alltag eingebunden zu sein. „Es geht dabei um ganz alltägliche Dinge, wie gemeinsam die Hausübung zu erledigen, das Zimmer aufzuräumen oder auch Grenzen aufzuzeigen“, betont Schalk. Eltern-Sein bedeutet nämlich auch: Verantwortung zu übernehmen – und das gilt für beide Elternteile. „Wir bestärken Väter in ihrer Rolle, beziehen sie aktiv mit ein und geben ihnen Verantwortung zurück. Denn jedes Kind hat das Recht auf beide Eltern!“

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