SOS-Kinderdörfer in Guinea-Bissau
Obwohl Guinea-Bissau in den letzten Jahren einige Fortschritte zu verzeichnen hatte, leben Tausende von Kindern weiter in erdrückender Armut. Viele dieser Kinder werden Opfer von Kinderhandel und kommerzieller sexueller Ausbeutung. In enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden setzt sich SOS-Kinderdorf für den Schutz und die Unterstützung dieser schwächsten Bevölkerungsgruppe des Landes ein.
Jahrzehntelange politische Instabilität
Guinea-Bissau liegt in Westafrika und grenzt im Norden an den Senegal sowie im Süden und Osten an Guinea. Im Jahr 1974 erklärte das Land nach langen und intensiven Kämpfen seine Unabhängigkeit von Portugal. Durch einen Militärputsch kam 1980 der Armeechef Joao Bernardo Vieira an die Macht. Seine Regierung wurde der Unterdrückung der politischen Opposition und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt.
1998 brach nach einem Putschversuch gegen die amtierende Regierung ein Bürgerkrieg aus. Vieira wurde schließlich im Jahr 1999 nach einer Meuterei von Soldaten gestürzt. Dennoch gelang ihm 2005 die Wiederwahl, da er eine grundlegende nationale Versöhnung, wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität versprach. 2009 wurde er von aufständischen Soldaten ermordet. Die Armee von Guinea-Bissau beging während des Bürgerkrieges viele Menschenrechtsverletzungen, darunter willkürliche Verhaftungen, Festnahmen und sogar Folter und Mordtaten.
In Guinea-Bissau kann man einen wachsenden Einfluss des Militärs und eine erhebliche Schwächung der demokratischen und zivilen Kontrolle der Regierung beobachten. Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurden von den meisten internationalen Beobachtern als frei und relativ fair bezeichnet. Dennoch wird die Autorität der gewählten Regierungsvertreter immer wieder durch militärische Interventionen und Drogenhändler unterwandert, und die Korruption ist weit verbreitet.
Guinea-Bissau ist zu einem wichtigen Umschlagplatz für lateinamerikanische Drogenkartelle und ihren Kokainschmuggel nach Europa geworden. Laut Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International belegte Guinea-Bissau im Jahr 2010 Platz 154 von 178 untersuchten Ländern. Nach offiziellen Angaben sind die Landwirtschaft und der Fischfang die beiden tragenden Säulen der Wirtschaft des Landes. Die wachsende Bedeutung des Drogenhandels als Wirtschaftsfaktor ist jedoch schwer zu übersehen. Das Land ist in großem Ausmaß auf ausländischer Hilfe angewiesen, da der Bürgerkrieg und die politische Instabilität die Infrastruktur des Landes schwer geschädigt haben.
Mehr als 20 000 Erkrankte nach der Cholera-Epidemie von 2005
Guinea-Bissau zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. In einem Land, das einst als potentielles Vorbild für die Entwicklung in Afrika angesehen wurde, kämpft heute die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ums nackte Überleben. Hunderttausende Menschen leben in erdrückender Armut ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Vor allem in den ländlichen Regionen stellt das hohe Armutsniveau die Menschen vor große Probleme.
Mit 47 Jahren gehört die Lebenserwartung bei der Geburt nicht nur in Afrika, sondern weltweit zu den niedrigsten überhaupt. Zu den weit verbreiteten Infektionskrankheiten zählen Durchfall, Hepatitis A, Typhus, Malaria und HIV. Der Ausbruch dieser Krankheiten ist aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen oft schwer zu vermeiden.
Tausende von Menschen, vor allem Kinder, sterben auch heute noch an vermeidbaren und behandelbaren Krankheiten. In Guinea-Bissau kommt es immer wieder zum Ausbruch von Cholera-Epidemien. Im Jahr 2005 wurden mehr als 20 000 Krankheitsfälle gemeldet, und Hunderte von Menschen starben an den Folgen der Krankheit. Auch HIV ist ein großes Problem der öffentlichen Gesundheit, wenngleich auch in etwas niedrigerem Ausmaß als in einer Reihe anderer schwarzafrikanischer Länder – ca. 2,5 Prozent der Bevölkerung sind HIV-positiv.
Kinder brauchen Schutz vor Menschenhandel
Guinea-Bissau hat die UN-Kinderrechtskonvention (CRC) unterzeichnet und eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erlassen. Obwohl die Regierung spürbare Anstrengungen im Kampf gegen den Kinderhandel im Land unternommen hat, gibt es nach wie vor häufige Berichte über Kinder, die gekauft, verkauft und aus ihrem Zuhause verschleppt werden. Viele dieser Kinder werden in den Senegal und nach Mali gebracht, um in der Landwirtschaft zu arbeiten oder für organisierte Banden zu betteln. Der Menschenhandel ist in einigen Teilen Afrikas nach wie vor ein Milliardengeschäft.
Fast die Hälfte aller Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren müssen Kinderarbeit verrichten. Viele von ihnen können daher keine Schule besuchen. Die Kinderarbeit ist vor allem in den ländlichen Regionen des Landes weit verbreitet, in denen viele Familien unter extrem harten sozioökonomischen Bedingungen leiden. Sie sind häufig auf das zusätzliche Einkommen angewiesen, das durch die Arbeit ihrer Kinder erwirtschaftet wird. Die Kinder leisten Landarbeit und hüten das Vieh. Jedes Jahr werden viele Kinder während der viermonatigen Cashew-Ernte zeitweise aus der Schule genommen, um ihren Eltern auf den Feldern zu helfen. Auch die Kinderprostitution ist in Guinea-Bissau ein zunehmendes Problem.
Mädchen werden innerhalb der Landesgrenzen häufig zum Zwecke der kommerziellen sexuellen Ausbeutung verschleppt. Die Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Zwangsverheiratungen und Kinderehen, ist allgemein weit verbreitet. Im April 2009 wurde ein 15-jähriges Mädchen zu Tode geprügelt, weil es sich geweigert hatte, einen älteren Mann zu heiraten. Obwohl der Fall zur Anzeige gebracht wurde, kam es zu keiner strafrechtlichen Verfolgung der Täter.
Die Sterblichkeitsrate der Kinder unter fünf Jahren ist in Guinea Bissau mit 193 aus 1000 Lebendgeburten nach wie vor sehr hoch. Fast ein Viertel aller Kinder sind bei der Geburt untergewichtig, und etwa 20 Prozent aller guineischen Kinder leiden an Unterernährung. In den ländlichen Regionen sind diese Zahlen besonders hoch, da die Versorgung mit Nahrung und Trinkwasser sowie die medizinische Infrastruktur sehr schlecht sind.
In Guinea-Bissau haben 110 000 Kinder ein oder beide Elternteile verloren; unter ihnen sind viele Aidswaisen. Durch die AIDS-Epidemie werden viele Tausend Kinder in Schwarzafrika bereits im frühen Kindesalter zu Waisen. Kindergeführte Haushalte sind weit verbreitet. Viele kleine Kinder können nicht länger zur Schule gehen, da sie für ihre Familien sorgen müssen.
SOS-Kinderdorf in Guinea-Bissau
Zehntausende von Kindern leben in Guinea-Bissau in großer Armut. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Regierung im Jahr 1984 an unsere Organisation und bat um die Errichtung eines SOS-Kinderdorfes. Der Bau des ersten SOS-Kinderdorfes begann im Jahr 1991, das zweite folgte 2000/2001. Während des Bürgerkrieges rief die Organisation ein SOS-Nothilfeprogramm ins Leben, um die unmittelbare Nachbarschaft der SOS-Kinderdörfer mit Nahrung, Wasser und Medikamenten zu versorgen.
Derzeit unterstützt SOS-Kinderdorf bedürftige Kinder und Jugendliche durch Kindertagesstätten und Schulen an landesweit drei verschiedenen Standorten. Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder nicht länger bei ihren Familien bleiben können, finden liebevolle Aufnahme in einer familiennahen Umgebung, der SOS-Kinderdorf-Familie.