Vereinsgründung vor 70 Jahren in Innsbruck
Am 25. April 1949 gründete ein Kreis junger engagierter Frauen und Männer rund um den Vorarlberger Medizinstudenten Hermann Gmeiner in Innsbruck den Verein "Societas Socialis". Es war die Geburtsstunde der SOS-Kinderdörfer, die heute in 135 Ländern der Welt tätig sind.
Das Bild Hermann Gmeiners wird in der aktuellen Aufarbeitung kritisch neu eingeordnet. SOS-Kinderdorf stellt sich bewusst gegen eine idealisierte Gründungserzählung. Maßstab ist der Kinderschutz – nicht die Legende. Zwischen 2013 und 2023 wurden im Rahmen des unabhängigen Opferschutzverfahrens acht Meldungen eingereicht, die im Zusammenhang mit Hermann Gmeiner und der frühen Aufbauzeit von SOS-Kinderdorf stehen. Die geschilderten Vorfälle betreffen vier Bundesländer in Österreich und reichen in die 1950er- bis 1980er-Jahre zurück.
Das Opferschutzverfahren dient der Anerkennung des erlittenen Leids ehemaliger Betreuter – es ist kein strafrechtliches Verfahren und kein Beweis im juristischen Sinn, sondern ein Verfahren, das auf Glaubwürdigkeit und Plausibilität der Schilderungen beruht. Alle Unterlagen wurden der unabhängigen Reformkommission zur weiteren Prüfung übergeben.
In der Aufarbeitung wird Hermann Gmeiners Rolle und Verantwortung umfassend beleuchtet – mit dem Ziel, seine Person und sein Wirken vollständig und im historischen Kontext zu betrachten. Das ist die Grundlage für eine glaubwürdige Kinderschutzorganisation von heute. Die Idee SOS-Kinderdorf, Kindern, Jugendlichen und Familien weltweit ein sicheres Zuhause zu geben, bleibt bedeutend – sie entbindet aber niemanden von Verantwortung.
Aktuelle Informationen finden Sie immer unter https://www.sos-kinderdorf.at/reform
Die ersten Ideen und Visionen, etwas gegen die Not vieler Kinder im Tirol der Nachkriegsjahre zu tun, wälzte die Gruppe junger Leute bereits 1946/47. Es waren Hermann Gmeiner, Bergbauernsohn und Medizinstudent aus Alberschwende im Bregenzerwald, und seine Studienkollegen Josef Jestl, Ludwig Kögl, Herbert Pfanner und Franz Müller. Neben ihnen spielten starke Frauen als Pionierinnen und Aktivistinnen eine bedeutende Rolle, vor allem Maria Hofer, Herta Troger, Hedwig Weingartner und Helene Didl.
Hermann Gmeiner engagierte sich neben dem Studium immer stärker in der Jugendarbeit, wurde Leiter der Dekanatsjugend Innsbruck und lernte so das Elend vieler Kriegswaisen hautnah kennen. Leidenschaftlich diskutierte Gmeiner mit seinem Team Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Am 25. April 1949 fand die Gründungsversammlung des Vereines "Societas Socialis" im Jugendreferat der Landesregierung in der Innsbrucker Hofburg statt. Gmeiner wurde zum „Regens“ gewählt und war beseelt davon, die Idee zu verwirklichen: der drohenden Gefahr, die in der Schutzlosigkeit vieler Kinder liegt, mit einer konkreten Tat entgegenzutreten.

Diese Grundhaltung war Gmeiner zeitlebens wichtig: Sein „Reds nit, tuats was!“ wurde zum Motor und Erfolgsgeheimnis der SOS-Kinderdorf-Arbeit in den folgenden Jahren und Jahrzehnten. In den ersten Wochen und Monaten nach der Vereinsgründung entwickelten Gmeiner und sein Team aus den ursprünglich breit angelegten Zielen der Societas Socialis die Idee für das erste SOS-Kinderdorf. Und Gmeiner konnte dafür einflussreiche Fürsprecher gewinnen: Univ. Prof. Vinzenz Neubauer, Landeshauptmannstellvertreter Josef Anton Mayr und den Imster Bürgermeister Josef Koch, der selbst als Kind Waise war. Imst war die einzige von zehn Gemeinden, die auf ein Schreiben reagierte und ein Grundstück für den Bau des SOS-Kinderdorfes günstig zur Verfügung stellte.
Für den Start hatte Gmeiner persönlich 600 Schilling zur Verfügung. Die eigentliche Basis stellte Maria Hofer mit dem Erlös eines Grundstückes in Igls bei Innsbruck im Wert von rund 50.000 Schilling zur Verfügung. Erst damit konnte Gmeiner den Grund kaufen und erste Spendenaufrufe und Werbeaktivitäten finanzieren. Weil er von der öffentlichen Hand keine Mittel erhielt, wandte sich Gmeiner direkt an die Bevölkerung und bat die Menschen um einen Schilling im Monat. Dank seiner charismatischen Persönlichkeit und Fähigkeit, Menschen zu begeistern waren er und sein Team sehr erfolgreich. Mit Flugblättern, Infobroschüren, persönlichen Gesprächen und ersten Spendenaufrufen in größerem Stil brachte Gmeiner seine Botschaft unter die Leute und erhielt die nötigen Mittel für den Bau des ersten SOS-Kinderdorfes. Innerhalb weniger Monate stand der Rohbau für das erste Haus. Am 2. Dezember 1949 fand die Firstfeier statt und es Haus "Frieden" genannt. Noch am selben Tag erfolgte der Spatenstich für den Bau von vier weiteren Häusern.
Am 28. Mai 1950 wurde die „Societas Socialis“ im Rahmen der Generalversammlung in den Verein „SOS-Kinderdorf“ übergeführt und 1951 dann die ersten 40 Kriegswaisen im ersten SOS-Kinderdorf der Welt in Imst aufgenommen. 1952 betreuten sieben SOS-Kinderdorf-Mütter knapp 70 Kinder. Zwei Jahre später waren es mit 130 fast doppelt so viele.
Und heute, 70 Jahre nach der Gründung?
SOS-Kinderdorf Österreich begleitet heute Kinder und Jugendliche in professionellen Betreuungssettings mit qualifizierten Fachkräften, modernen pädagogischen Standards und verbindlichen Kinderschutz- und Compliance-Strukturen. Zugleich arbeitet SOS-Kinderdorf historische Fälle lückenlos auf und setzt den Neustart der Organisation konsequent um. Weitere Informationen.