2 Jahre Nothilfe Ukraine – 01.03.24

Vielfältige Hilfe

Millionen Menschen leiden unter dem anhaltenden Krieg in der Ukraine. SOS-Kinderdorf hilft Familien in dieser schrecklichen Situation mit vielen verschiedenen Projekten.

So wird Kindern und Familien in der Ukraine geholfen, der Live-Bericht gibt einen Überblick.

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Seit zwei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. Und ein Ende ist nicht in Sicht. "Das Anstrengendste ist, dass wir nicht wissen, wie lange wir noch durchhalten müssen", beschreibt Yevgeniya den unsicheren Dauerzustand, in dem sie gemeinsam mit Millionen ukrainischer Menschen schwebt. Yevgeniya leitet die Ukraine-Nothilfe von SOS-Kinderdorf vor Ort. Sie musste selbst vor dem Krieg fliehen, und das nicht zum ersten Mal in ihrem Leben. Denn gebürtig aus Aserbaidschan macht Yevgeniya bereits in ihrer Kindheit Kriegserfahrungen. Sie floh nach Tschetschenien, dann in die Ost-Ukraine und 2014 von dort nach Kiew. Ein viertes Mal ist Yevgeniya nun also mit ihrer Familie von Krieg direkt betroffen, trotzdem denkt sie nach dem russischen Angriff ab der ersten Minute an andere: Was brauchen Kinder und Familien jetzt?

 

Unsere Geschäftsführerin Nora Deinhammer war mit Kolleg*innen in der Ukraine und berichtete bei unserem Live-Einstieg über die Situation vor Ort. Sie können den Live-Einstieg hier nachsehen.


Als im Februar 2022 in Kiew Bomben fallen, verbringt Yevgeniya die Nächte mit ihrer Mutter und ihrem 13-jährigen Sohn im Bunker, der so überfüllt ist, dass die beiden Frauen keinen Platz haben, sich hinzulegen. Unter Tags gehen sie kurz in ihre Wohnung, machen sich frisch, kochen etwas, ruhen sich aus. Und Yevgeniya arbeitet. Sie koordiniert Nothilfe-Aktionen für SOS-Kinderdorf. "Meine Bewältigungsstrategie", wie sie sagt. Ihre Mutter und ihr Sohn drängen, Kiew zu verlassen. Und nach einigen Tagen packt die dreiköpfige Familie ihre Sachen. Ein weiteres Mal verlassen sie ihr Zuhause, um vor dem Krieg zu fliehen. Sie nehmen einen der sogenannten Evacuation Trains. Ein überfüllter Zug, der die Menschen aus Kiew in Sicherheit bringt – aber niemand weiß, wohin. Auf diesem Weg kommen tausende Menschen im Westen der Ukraine an. SOS-Kinderdorf organisiert dort Not-Unterkünfte und die nötigste Erstversorgung.
 

 

Yevgeniya ist selbst aus der Ost-Ukraine geflüchtet und kümmert sich nun intensiv um geflüchtete Kinder und Familien.

 

Mit Andauern des Krieges hat sich die Hilfe von SOS-Kinderdorf beständig weiterentwickelt.

Während in frontnahen Gebieten noch immer humanitäre Hilfe geleistet wird, geht im Westen des Landes die Akut-Hilfe in langfristige Unterstützung über. Denn Millionen von Menschen warten hier seit zwei Jahren auf das Ende des Krieges. SOS-Kinderdorf unterstützt sie dabei, sich ein neues Leben aufzubauen und traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.

 

Halyna und ihre Familie wird vom Familienzentrum unterstützt. Sie liebt vor allem die Kunstworkshops, wo sie für ein paar Stunden abschalten und ganz sie selbst sein kann.


Wie etwa die junge Mutter Halyna. Als die russischen Truppen ihre Heimatstadt Cherson angriffen, war Halyna hochschwanger. Noch am selben Tag brachte sie ihre Tochter Olivia zur Welt, während sie draußen die Einschläge der Raketen hörte. Es folgte das schwierigste Monat in Halynas Leben. Ihre Stadt war okkupiert und es fehlte an allem. Die Familie litt Hunger und Halyna machte sich große Sorgen, durch die karge Ernährung ihre kleine Tochter nicht gut genug versorgen zu können. Jeden Abend vor dem Einschlafen telefonierten Halyna und ihr Mann mit ihren Familien und jeden Abend war es kein "good night" sondern ein "farewell" – für den Fall, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie sich hörten. Jeden Morgen machten sie ebenso telefonisch einen "Check-In" mit ihren Familien: "Wir leben noch!"

Ein Monat nach Olivias Geburt entschieden sich Halyna und ihr Mann zur gefährlichen Flucht. Denn zu bleiben wäre noch gefährlicher gewesen. Nach einigen Stationen lebt die junge Mutter nun im Westen der Ukraine und hat sich in einem Familienzentrum von SOS-Kinderdorf Unterstützung gesucht. Am meisten hat sie sich über Küchen-Utensilien gefreut: "Ich habe mich gefühlt wie ein Kind, das ein Packerl öffnet und darin etwas entdeckt, das es sich ewig gewünscht hat", erzählt sie. Vor dem Krieg hat Halyna gerne gekocht. Dann hat sie Monate lang nur gegessen, um zu überleben. Nun lernt sie langsam wieder, kochen und essen zu genießen.

Im Familienzentrum bekommt sie außerdem psychologische Unterstützung. Sie weiß, wie schwierig es für viele Menschen ist, nach Hilfe zu fragen, und ist gleichzeitig von der Wichtigkeit therapeutischer Aufarbeitung überzeugt. Darum will sie anderen Mut machen: "Alle Menschen brauchen Unterstützung. Und wenn man psychologische Hilfe braucht, ist es keine Schande, danach zu fragen. Es hilft dir, gesund zu werden und zurück in ein normales Leben zu finden."
 

Hilfe zur Selbsthilfe

Nochmal von Vorne beginnen, ein zweites Mal alles aufbauen – diese schmerzliche Erfahrung hat auch Olha machen müssen. 2022 wurde ihre Heimatstadt zum Kriegsschauplatz und die 35-Jährige floh mit ihrem Mann und ihren drei Kindern wie so viele in den Westen der Ukraine. Mitnehmen konnte sie nichts. Ihr großer Traum war es, in der neuen Stadt ihr Fußpflegestudio erneut aufzubauen. Und gemeinsam mit SOS-Kinderdorf schaffte sie genau das. Sie nahm an einem Gründer*innenprogramm teil und konnte mit der Finanzierungshilfe von SOS-Kinderdorf alle nötigen Geräte anschaffen, um ein neues Studio einzurichten. Inzwischen habe sie sogar eine Angestellt, erzählt sie nicht ohne Stolz. Aber am meisten freut sie sich darüber, nützlich zu sein.

 

Olha gibt nicht auf. Sie hat ihr Studio im Osten der Ukraine aufgeben müssen und hat nun - gemeinsam mit SOS-Kinderdorf - ein Studio im Westen eröffnet.


Sich einbringen, einen aktiven Beitrag leisten, ein normales Leben führen – das wollen die meisten geflüchteten Familien. Orte, die das ermöglichen, sind die Child Friendly Spaces, die SOS-Kinderdorf quer über die ganze Ukraine organisiert. In der westukrainischen Stadt Drohobytsch befindet sich das Kinder-Angebot in einer Bibliothek. Das Konzept hat sich bewährt: Bibliotheken stehen allen offen und lassen sich ausgezeichnet mit kostenlosen Aktivitäten für Kinder und Familien kombinieren. 2022 kamen über 13.000 Binnenvertriebene nach Drohobytsch und schnell war klar: die geflüchteten Kinder und Familien brauchen Unterstützung! So wurde das Kinder-Angebot in der Bibliothek mit Hilfe von SOS-Kinderdorf erweitert.

Das Kinder-Zentrum hat sieben Tage die Woche geöffnet und drei Betreuerinnen gestalten ein buntes Programm. Es wird gemalt, gebastelt, gespielt, jede Menge gelesen, und es gibt gemeinsame Ausflüge und Veranstaltungen. Ganz wichtig dabei: Die Aktivitäten sind kostenlos und alle Kinder sind willkommen! Es wird nicht unterschieden, wie lange ein Kind bereits in der Region wohnt. So lernen sich die unterschiedlichsten Familien kennen, kommen in Austausch, haben positive Erlebnisse gemeinsam. Und die Kolleginnen berichten mit Stolz, wie gut das Projekt dazu beiträgt, Menschen zu verbinden und Integration zu fördern.

 

Die Familienzentren sind Wohlfühlzonen für Familien und Kinder, in denen Erziehungsarbeit, Sprach- und Kunstkurse, psychologische Beratungen, Elternworkshops und jede Menge Spielsachen angeboten werden.

 

Wie geht es weiter?

Viele der Familien, die alles zurücklassen mussten, haben sich in der West-Ukraine ein neues Leben aufgebaut. Trotzdem wiegt das Erlebte schwer. Und nicht alle wollen in der neuen Heimat bleiben. Halyna etwa hadert noch immer mit der schmerzlichen Realität. Sie habe nie mit dem Krieg gerechnet, sagt sie. Und es falle ihr schwer, zu verstehen, was die letzten beiden Jahre in der Ukraine und in ihrem Leben passiert sei. Noch immer ist sie gedanklich viel in der Zeit vor dem Krieg, in ihrem bisherigen Leben in Cherson. Dorthin möchte sie zurückkehren, sobald das möglich ist. Sie weiß nicht, wie ein Leben dort aussehen kann – in einem verminten Land, in dem alles zerstört wurde. Aber sie will mithelfen, ihre Stadt wieder aufzubauen. Denn: "So schnell vergisst man seine Heimat nicht."

Auch unsere Kollegin Yevgeniya weiß nicht, wie ihre Zukunft aussieht – für sie persönlich, für ihre Familie und für die Nothilfe-Angebote, die sie koordiniert. "Wir wissen nicht, welche Hilfe es in Zukunft brauchen wird. Aber was auch immer nötig ist – wir werden es ermöglichen", ist sie überzeugt. Denn das hat SOS-Kinderdorf in der Ukraine in den letzten beiden Jahren eindrücklich gezeigt: Wir sind für Kinder und Familien da. Mit genau dem, was sie in der jeweiligen Situation brauchen.

 

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