Ukraine Krieg – 14.04.25

Ukraine-Nothilfe-Koordinatorin Galyna Posvaliuk berichtet aus der Ukraine.

Wie geht es Familien in der Ukraine aktuell?

Ukraine ist das größte Land Europas, um die Ukraine gut zu verstehen, ist es sinnvoll sich die Landkarte der Ukraine genau anzusehen. Familien, die im Westen leben, mussten ihre Häuser nicht verlassen und haben ihre eigenen Jobs und eigenes Zuhause. Vertriebene Familien aus dem Osten haben sich in sichere, und wie sie dachten, temporäre, Zonen geflüchtet - und sind dort nun seit drei Jahren. Die größte Herausforderung für diese Familien ist die Geldnot und die Suche nach einem Job. Familien, die ihr Zuhause verlassen mussten, sind müde sich adaptieren zu müssen und wollen einfach nur nachhause.

Bei SOS-Kinderdorf gibt es finanzielle Fördermittel für Frauen, die ihr eigenes Business eröffnen oder sich weiterbilden möchten. Viele interessieren sich für IT-Jobs, Bäckerinnen Tätigkeiten, Berufe in der Beauty-Industrie, und einige Frauen möchten aktuell ihren Führerschein machen, um Taxifahrerin zu werden.

 

Was sind die größten Herausforderungen für Kinder?

Einige der Kinder haben in den letzten Jahren Sprachprobleme bzw. Sprachdefizite entwickelt. Manche haben ganz aufgehört zu sprechen aufgrund der traumatischen Erfahrungen, die sie in den letzten Jahren miterleben mussten. In unseren Familienstärkungszentren bieten wir daher unter anderem Sprachtherapien und psychologische Unterstützungen an.

Auch die Grundbedürfnisse decken wir mit unseren Angeboten ab: Von Bargeldhilfen über Nahrungs- und Hygienemittel bekommen Familien passgenau das, was sie gerade brauchen.

Ein weiteres Thema, das Kinder beschäftigt, die von dem Osten in den Westen fliehen mussten, ist die Sprachbarriere. Viele Kinder, die aus dem Osten kommend eher Russisch sprechen, werden deswegen in der Schule ausgeschlossen. Ich wurde schon oft von Jugendlichen gefragt, ob sie verstanden und gemocht werden, wenn sie Russisch sprechen, oder ob sie lieber Ukrainisch sprechen sollten. Das Thema Mobbing ist etwas, worauf wir schauen müssen und was wir in unseren Familienzentren nun häufig thematisieren.

Zudem müssen die Kinder in der Ukraine mit ständigen Bomben-Alarmen leben, die Kinder im Osten mit Explosionen. Sie sind verständlicherweise sehr sensibel was Geräusche angeht und leicht triggerbar. Viele Kinder haben große Angst vor allen lauten Geräuschen. Das ist definitiv etwas, was unsere Psychotherapeut*innen mit ihnen erarbeiten. Ich denke, das wird die Kinder noch sehr lange begleiten und beeinflussen. Sie werden das alles nicht vergessen.

 

Was brauchen Kinder?

Sehr viele Kinder möchten gerne in ihren Heimatort zurückkehren und ihre Verwandten treffen. Aber grundsätzlich fühlen sich die Kinder, die nun im sichereren Westen sind, wohl und sind froh nicht mit den ständigen Bombeneinschlägen konfrontiert sein zu müssen.

Einige Kinder haben sehr viel verloren, ihre Häuser, ihre Kleidung, Haustiere, Freunde und Familienmitglieder. In unseren Familienzentren haben wir ausgebildete Psycholog*innen, die sich mit den Traumata und Verlusten der Kinder beschäftigen. Es gibt Kinder, die sind am Anfang einer Therapie skeptisch, aber wenn sie einige Male bei uns waren, werden sie offener.

Wir bemerken vor allem, dass der Austausch mit anderen Kindern, die dasselbe durchgemacht haben, den Kindern sehr guttut und sie sich im Gespräch mit Gleichaltrigen auch leichter öffnen.

In unseren Kaffeepausen gibt es Tee und Kekse, das ist für die Kinder immer ein ganz besonderes Highlight. Eine Schokolade und dann Kekse. Sie freuen sich sehr über die Tradition etwas Süßes zu essen und sich ungezwungen mit Gleichaltrigen auszutauschen. Es ist schön zu sehen, wie sehr sie solche Kleinigkeiten wertschätzen, da einige von ihnen nicht die Möglichkeit haben das zuhause zu bekommen.

 

Bist du besorgt, welche Langzeitauswirkungen der Krieg auf die mentale Gesundheit von Kindern haben könnte?

Ja. Prinzipiell habe ich das Gefühl Kinder können sehr anpassungsfähig sein. Aber natürlich gibt es auch andere Fälle. In unseren Angeboten lernen wir auch Kinder mit schlimmen Traumata kennen. Kinder, deren Mutter oder Vater getötet wurden. Oder die selber mit einer Kriegsverletzung leben müssen. Diese Kinder werden engmaschig von unseren Therapeut*innen betreut. Wie die Geschichte uns gelehrt hat, wird es viele Jahre dauern die Kinder des Krieges zu rehabilitieren, physisch, sowie psychisch.

 

Wie fühlen sich die Menschen im Moment?

Wir haben natürlich ständig die Nachrichten im Auge. Wir sind müde. Der Krieg macht uns müde. Einige von uns sind auch ängstlich.

Es gibt einige Menschen, die sagen würden, kommt, lass uns das Gebiet einfach hergeben. Aber viele andere, die ihre Häuser, ihre Heimat in diesen Gebieten haben möchten natürlich, dass diese verteidigt werden. Wir sind müde und wollen unsere Häuser und unser Land zurück.

 

Wie lange wird Familien bei SOS-Kinderdorf geholfen?

Wir unterstützen eine Familie in der Regel sechs Monate intensiv. Bei intensiveren Fällen, unterstützen wir die Familien allerdings länger. Unser Unterstützungsansatz ist ganzheitlich: sei es mit Bargeldhilfen, Kleidung, Möbeln, Psychosozialen Interventionen, Sprachtherapien, Integration in die lokale Bevölkerung oder Bildungsangebote. Sehr viele Familien bleiben auch nach der Betreuung noch mit uns in Kontakt und kommen zu unseren Vernetzungstreffen.

Ich denke, sollte der Krieg enden, werden Familien auch noch mindestens 3-5 Jahre danach (mentale) Unterstützungen brauchen.

 

Hast du eine Erfolgsgeschichte?

Sehr viele. Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll.

Wie schon angesprochen, ist die größte Herausforderung, vor der Kinder aktuell stehen, die Sprachdefizite. Unsere Sprachtherapeuten berichten, dass die Kinder spätestens drei Monate nach Beginn der Therapie mehr und wieder lockerer reden.

Es gibt zum Beispiel auch eine Mutter, die wir in einer schweren Zeit unterstützt haben, die jetzt für uns arbeitet und selber als Beraterin anderen Müttern zur Seite steht. Das ist wirklich toll, denn sie weiß natürlich genau, was Mütter in so einer Situation brauchen.

 

Wie geht es dir mit der aktuellen Lage?

Mir ist wichtig zu sagen, dass der Krieg nicht vorbei ist. Wir leben noch immer mit den ständigen Alarmen. Wir leben unser alltägliches Leben so gut wie es geht weiter, wir gehen ab und zu aus, wir essen Kekse, wir versuchen unsere Kinder jeden Tag glücklich zu machen.

Wir sind sehr dankbar für alle Menschen, die für uns und unsere Angebote spenden. Vielen Dank, an alle, die an uns Denken!

 

Ukraine-Nothilfe-Koordinatorin Galyna Posvaliuk 

 

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