Leben zwischen zwei Kulturen
„Am Anfang war es für uns sehr schwer. Aufgrund der Sprachbarriere konnte meine Tochter im Kindergarten kaum Kontakte knüpfen“, erzählt Mutter Iryna. „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe, die wir hier bekommen haben. Wir möchten aber natürlich wieder zurück. Jeden Monat plane ich aufs Neue, zurückzufahren“, führt Iryna fort. Damit sie nicht allein: „Fast alle der Familien hier möchten wieder zurück nachhause“, sagt Sophie.
Sich längerfristig ein Leben in Österreich aufzubauen, Kontakte knüpfen, die Sprache lernen – die Motivation dafür ist naturgemäß weniger groß, wenn die Familien immer auf dem Sprung sind. Wenn sie bereit sind, ihre Koffer zu packen und zurückzukehren, sobald es möglich ist. Nur leider weiß niemand, wann das sein kann. „Ich habe das Gefühl, die Familien empfinden es fast als Verrat an der Ukraine, sich hier voll und ganz auf das Leben einzulassen. Eventuell spielen Schuldgefühle eine Rolle. Also dass man sich hier ein gutes Leben in Sicherheit aufbauen kann, während Teile der Familie in der Ukraine zurückgeblieben sind“, so Annika.
Auf die Frage, wo sie sich in fünf Jahren sieht, antwortet Natalia, die Großmutter eines 9-jährigen Jungens schmunzelnd: „Hätte man mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich mal in Wien leben würde, hätte ich das niemals für möglich gehalten. Also, wer weiß das schon. Ich fühle mich hier in Österreich akzeptiert, aber noch nicht wirklich integriert. Auch von mir innen heraus“, ergänzt sie.
Mutter Iryna empfindet es als Bereicherung, dass ihre Tochter eine neue Kultur kennenlernt. So kann sie viele neue Dinge lernen und gleichzeitig die eigene Kultur und ukrainische Traditionen bewahren. Großmutter Natalia hingegen macht sich ein wenig Sorgen: „Ich glaube, wenn ein Kind mehrere Sprachen spricht, verliert es auf Dauer die notwendige Sprachkompetenz in der eigenen Sprache.“