SOS-Kinderdorf in Äquatorialguinea
Nachdem vor der Küste des Landes große Erdölreserven entdeckt worden waren, erlebte Äquatorial-Guinea ein rasantes Wirtschaftswachstum. Nichtsdestotrotz haben die meisten Durchschnittsbürger bislang nicht vom neuen Reichtum ihres Landes profitiert. Die Kinder und Jugendlichen in Äquatorial-Guinea leiden an einem desolaten Bildungssystem, einer schlechten gesundheitlichen Versorgung und einer hohen HIV/AIDS-Infektionsrate.
Ein Land mit vielen natürlichen Ressourcen
Äquatorial-Guinea ist ein kleines Land in Westafrika und grenzt an Kamerun und Gabun. Die Hauptstadt Malabo ist eine Mischung aus Slums und heruntergekommenen Gebäuden aus der Kolonialzeit. Das Land erklärte 1968 nach fast 200 Jahren spanischer Herrschaft seine Unabhängigkeit.
Mit einer Gesamtbevölkerung von weniger als 700 000 Einwohnern zählt das Land zu den kleinsten ganz Afrikas. Daneben ist Äquatorial-Guinea das einzige afrikanische Land, in dem Spanisch die offizielle Landessprache ist. Obwohl das Land formell eine rechtstaatliche Demokratie ist, sind sich fast alle ausländischen Beobachter einig, dass viele Wahlen seit den 90er Jahren manipuliert worden sind und es im Land keine wirkliche Opposition gibt.
Äquatorial-Guinea wird oft als Paradebeispiel für den "Fluch der Ressourcen" angeführt. In den 90er Jahren durchlief die Wirtschaft des Landes einen strukturellen Wandel, als vor der Küste große Erdölreserven entdeckt wurden. Bis zum Jahr 2004 war Äquatorial-Guinea der drittgrößte Erdölerzeuger im Afrika südlich der Sahara. Die Erlöse aus den Ölexporten waren zwischen 1992 und 2000 von lediglich sieben Prozent auf 83 Prozent der nationalen Einnahmen gestiegen, wodurch die wirtschaftlich Abhängigkeit des Landes von diesem Rohstoff in großem Ausmaß verstärkt wurde.
Das nationale BIP hatte sich von 1997 bis 2000 in nur wenigen Jahren fast verdoppelt. Das vergangene Jahrzehnt hat wirtschaftliche Wachstumsphasen und Stagnationsphasen erlebt. 2011 hat sich die Situation verbessert, zum Teil auch deshalb, weil sich das Land vorbereitet hat, die Fußball-Afrikameisterschaft zu veranstalten.
Trotz großer Ölreserven lebt die Mehrheit der Bevölkerung in Armut
Äquatorial-Guinea ist einer der größten Erdölexporteure Schwarzafrikas. Dennoch profitiert nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von den Gewinnen, die durch den Export des Rohstoffs erzielt werden. Die meisten Menschen in Äquatorial-Guinea fristen weiterhin ein Leben in Armut.
Die Zugangsmöglichkeiten zum Bildungs- und Gesundheitssystem haben sich trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs weiter verschlechtert. Daher belegt das Land auch einen der untersten Plätze auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen. Tausende von Menschen haben keinen Zugang zu fließendem Wasser, sondern müssen tägliche Wanderungen an einen nahegelegen Fluss antreten, der dann auch noch durch die wiederkehrenden Dürren häufig ausgetrocknet ist.
Das Wasser, das viele Äquatorial-Guineer trinken müssen, stammt aus unsicheren Quellen und kann Durchfall und andere wasserbedingte Krankheiten wie die Cholera auslösen. Viele westliche Länder, darunter auch die Vereinigten Staaten, sind von Menschenrechtsorganisationen massiv dafür kritisiert worden, dass sie mit dem autokratischen Regime des Landes Geschäfte tätigen.
US-amerikanische Ölgesellschaften haben Millionen von US-Dollar in Äquatorial-Guinea investiert. Laut Berichten der UN wird in Äquatorial-Guinea systematisch gefoltert, und oppositionelle Gruppen werden systematisch unterdrückt. Der Präsident weist solche Anschuldigungen zurück. Schätzungsweise ein Drittel der Einwohner haben ihr Land verlassen und leben jetzt im Exil, da sie vor massiver politischer Verfolgung geflohen sind.
In diesem kleinen Land mit nur 668 000 Einwohnern sind 20 000 Menschen HIV-positiv. Nach Einschätzung von Experten ist das Leben Tausender Menschen in Gefahr, da es mehr Gerüchte als konkrete Informationen über diese Krankheit gibt. Die Zahl der Neuinfektionen ist in den letzten Jahren konstant gestiegen. Von 2003 bis 2010 hat sich die Zahl der HIV-Infizierten nahezu verdoppelt. Obwohl sich die Situation in den letzten Jahren etwas gebessert hat, ist das Gesundheitssystem in vielen Landesteilen nach wie vor in einem desolaten Zustand. Nach Angaben der Vereinten Nationen kommen nur 25 Ärzte auf 100 000 Einwohner.
Das Land ist in großem Ausmaß auf die Unterstützung durch ausländisches Personal im Gesundheitswesen angewiesen. Mehr als 150 kubanische Ärzte arbeiten in Äquatorial-Guinea, womit sie ca. 70 Prozent aller Mediziner im ganzen Land ausmachen. Das öffentliche Gesundheitssystem ist schlecht entwickelt und chronisch unterfinanziert. Das Leben in Äquatorial-Guinea ist nicht nur hart, sondern statistisch gesehen auch sehr kurz - die Lebenserwartung bei der Geburt beträgt lediglich 51 Jahre.
Das Leben von Kindern braucht eine Verbesserung
Schätzungsweise 45 000 Kinder wachsen in Äquatorial-Guinea ohne Eltern auf. Etwa 10 % von ihnen haben ein oder beide Elternteile an AIDS verloren. Infolgedessen müssen immer mehr Kinder ganze Haushalte führen, vor allem Waisenkinder und Kinder in den ländlichen Regionen des Landes. Da sie in jungen Jahren schon so viel Verantwortung übernehmen müssen, haben viele dieser Kinder nie eine echte Kindheit.
Obwohl das Arbeitsrecht des Landes Kinderarbeit verbietet, werden viele dieser Gesetze und Verordnungen nicht umgesetzt. Folglich müssen Tausende von Kindern Zwangsarbeit verrichten. In den Städten des Landes sieht man kleine Kinder oft betteln oder Kleinwaren verkaufen. Mädchen werden häufig zu kommerzieller Sexarbeit gezwungen. Viele Familien können es sich aufgrund ihrer finanziellen Notlage nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken, wodurch diese keine Chance auf eine Grundausbildung haben. Ohne Bildung ist es jedoch fast unmöglich, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen, in dem so viele Familien in Äquatorial-Guinea gefangen sind.
Zirka zwei von zehn Kindern sterben an Durchfall, Cholera oder anderen durch Wasser übertragenen Krankheiten, da nur die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Fast die Hälfte aller Kinder ist kleinwüchsig. In einem Land, in dem die Malaria weit verbreitet ist, werden nur 50 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren, die an Malaria erkrankt sind, mit den notwendigen Medikamenten versorgt. Obwohl die Säuglingssterblichkeitsrate seit den 90er Jahren leicht gesenkt worden ist, liegt sie bei Kindern unter fünf Jahren mit 148 pro 1000 Lebendgeburten immer noch auf einem erschreckend hohen Niveau und zählt zu den höchsten auf der ganzen Welt.
SOS-Kinderdorf in Äquatorial-Guinea
SOS-Kinderdorf begann seine Tätigkeit in Äquatorial-Guinea in den frühen 90er Jahren. Nachdem 1992 ein offizielles Abkommen unterzeichnet worden war, konnten weitere Schritte für den Bau von SOS-Kinderdörfern im Land unternommen werden. Seit dem Jahr 2004 bietet die Organisation auch ein SOS-Familienstärkungsprogramm, um vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedrohte Kinder und Jugendliche zu unterstützen und ihnen das Aufwachsen in einer liebevollen familiären Umgebung zu ermöglichen. Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder nicht länger bei ihren Familien bleiben können, finden liebevolle Aufnahme in einer familiennahen Umgebung, der SOS-Kinderdorf-Familie.
Derzeit unterstützt SOS-Kinderdorf Kinder und Jugendliche in Äquatorial-Guinea durch eine Kindertagesstätte, eine Schule und ein medizinisches Zentrum in Bata auf dem äquatorial-guineischen Festland.