Lebenswege

„Es stand immer jemand hinter mir“

Das Betreute Wohnen von SOS-Kinderdorf in Innsbruck bietet seit 25 Jahren Orientierung und Sicherheit für Jugendliche, die einen schwierigen Start ins Leben hatten. Hier werden junge Menschen auf ihrem Weg in die Selbständigkeit begleitet, unterstützt und gestärkt. Eine von ihnen ist Valentina, die sich mit 16 Jahren entschied, einen Neuanfang zu wagen.

 

Valentina musste schon früh lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. „Ich hatte damals ein schlechtes Umfeld und viele Probleme in der Familie. Ich habe einiges durchgemacht“, erzählt sie. Mit 16 Jahren entschied sie sich ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen – und zog in eine Wohnung im BEWO von SOS-Kinderdorf. „Ich habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Im BEWO konnte ich zum ersten Mal den ganzen Ballast ablassen und über alles reden. Es war immer jemand da, der mir zugehört hat.“ Die genauen Gründe für diesen Schritt behält Valentina für sich. Ihre Privatsphäre ist ihr wichtig, doch sie betont, wie entscheidend es war, diese Unterstützung zu bekommen. 

 

Ich habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Im BEWO konnte ich zum ersten Mal den ganzen Ballast ablassen und über alles reden.

Valentina

 

Ein sicherer Hafen für belastete Jugendliche

Im BEWO werden Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren in eigenen Wohnungen schrittweise in ihrer Eigenverantwortung gestärkt. Viele von ihnen kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen und haben bereits in jungen Jahren schwere Lasten getragen. Vernachlässigung, Überforderung der Eltern, psychische Erkrankungen, Gewalt oder andere traumatische Erlebnisse hinterlassen ihre Spuren.

„Wichtig ist, auf jede*n Jugendliche*n individuell einzugehen, persönliche Ressourcen gezielt zu stärken, dranzubleiben, und gemeinsam Wege zu erarbeiten, sodass sie einen guten Umgang mit Problemen finden“, erzählt Nicoletta, sie arbeitet seit letztem Jahr als Sozialpädagogin im BEWO. Die Betreuungsintensität variiert je nachdem, was die jungen Menschen brauchen. Die Pädagog*innen helfen den Jugendlichen, das Erlebte aufzuarbeiten, emotionale Stabilität zu erlangen und Schritt für Schritt ihre eigene Zukunft zu gestalten.

Raum zum Wachsen und Entfalten

Der Start ins neue Leben war für Valentina zu Beginn nicht leicht, sie erinnert sich noch gut an die ersten Monate in ihrem neuen Zuhause: „Es war damals ein emotionales Auf und Ab für mich, denn ich musste Vieles erst aufarbeiten.“ Anfangs ist die Unterstützung im BEWO intensiver – Begleitung zu Arztterminen, Therapie, gemeinsames Einkaufen, Ausflüge, und viele Gespräche gehören dazu. „Im BEWO hatte ich von Tag 1 bis heute eine wirklich schöne Zeit. Es war immer jemand da, der hinter mir stand. Aber die Pädagog*innen haben mir auch Grenzen gesetzt, und das war genauso wichtig für mich.“ Valentina konnte sich im BEWO entfalten, neue Bekanntschaften und Freundschaften schließen und herausfinden, wer sie wirklich ist.

 

Valentina trifft sich regelmäßig mit den Betreuer*innen vom BEWO, um zu besprechen, wie es gerade bei ihr läuft. 

Ein weiterer Schritt in die Selbstständigkeit

Im August 2023 zog Valentina schließlich in eine eigene Garconniere von SOS-Kinderdorf, weiterhin mit Betreuung, aber mit viel mehr Privatsphäre und Ruhe. Die Betreuung ist weniger intensiv, doch bei Bedarf sind die pädagogischen Fachkräfte weiterhin erreichbar. „Es war anfangs sehr wichtig für mich, jemanden zum Reden zu haben. Jetzt ist der Bedarf nicht mehr so groß“, sagt Valentina. „Es ist schön zu sehen, wie Jugendliche wachsen und sich entwickeln. Durch Höhen und Tiefen mit ihnen zu gehen, ihre Fortschritte mitzuerleben und sie auf diesem Weg zu begleiten, motiviert uns in unserer Arbeit“, erzählt Nicoletta. „Valentina habe ich erst spät kennengelernt, zu dem Zeitpunkt hat sie bereits weniger Unterstützung gebraucht. Das ist genau die Entwicklung, die wir uns für junge Menschen im BEWO wünschen.“ Langsam plant Valentina schon ihren endgültigen Auszug: „Spätestens im November will ich in eine eigene Wohnung ziehen.“ 

 

Mit 16 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mich so entwickeln werde. Aber dann habe ich eine 180-Grad-Drehung gemacht. Heute weiß ich genau, was ich will.

Valentina

 

 

180-Grad-Drehung

Valentina weiß genau, was sie will und dass sie es erreichen kann. Die heute 20-Jährige hat klare Ziele für ihr Leben. „Mit 16 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mich so entwickeln werde“, erzählt sie stolz. „Aber dann habe ich eine 180-Grad-Drehung gemacht. Heute weiß ich genau, was ich will, was richtig und was falsch ist. Ich kenne meine Grenzen und stehe für meine eigenen Bedürfnisse ein.“ Derzeit arbeitet Valentina als Abteilungshilfe in der Pflege und plant, im neuen Jahr ihre Ausbildung zur Pflegeassistenz abzuschließen. Schon früh wusste sie, dass sie in diesem Bereich arbeiten möchte. Erste Erfahrungen sammelte sie bereits in der Familie, später während eines Praktikums. Besonders am Herzen liegt ihr die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen. „Die Arbeit in der Pflege macht mir Spaß, weil ich nicht nur für die Menschen da sein kann, sondern auch mit ihnen lachen und schöne Momente erleben darf. Natürlich ist es manchmal anstrengend, aber ich gehe gerne hin. Besonders schätze ich den Freiraum, selbst zu entscheiden, wie ich den Tag mit den Klient*innen gestalte – sei es ein Spaziergang oder einfach ein nettes Gespräch“, erzählt Valentina.

 

Mut zur Veränderung

Valentina möchte anderen Jugendlichen Mut machen, Hilfe anzunehmen und ihren eigenen Weg zu gehen: „Man muss nicht alles allein schaffen. Hört in euch selbst hinein, und fragt euch, was ihr wollt und wie ihr euer Leben gestalten möchtet. Es ist keine Schande, Unterstützung anzunehmen – im Gegenteil, das zeigt Stärke. Ich bin froh, dass ich den Mut hatte, ins BEWO zu ziehen und ein neues Kapitel zu beginnen. Heute weiß ich, dass ich alles schaffen kann, was ich mir vornehme.“

Valentinas Weg zeigt, wie wichtig Unterstützung und ein sicherer Rückhalt sind, um aus schwierigen Umständen heraus ein eigenständiges Leben zu beginnen. Im Betreuten Wohnen von SOS-Kinderdorf finden junge Menschen nicht nur Sicherheit und Orientierung, sondern auch den Mut und die Stärke, ihren eigenen Weg zu gehen.

 

Valentina

Man muss nicht alles allein schaffen. Hört in euch selbst hinein, und fragt euch, was ihr wollt und wie ihr euer Leben gestalten möchtet.

Valentina

 

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