In einem Interview haben Sie vor einigen Jahren erzählt, dass Sie auch früh finanzielle Verantwortung übernehmen mussten. Wie kam es dazu?
Das Wirtshaus lief gut, aber meine Mutter musste es aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Ich war bereits als Kind bei Tanzwettbewerben sehr erfolgreich, und bald war es auch so, dass meine Auftritte Geld einbrachten. Das wurde von meinen Eltern einfach ausgegeben. Als Kind denkst du dir ja nichts dabei. Aber ich weiß noch genau, es gab einen Moment, als wir drei Geschwister alle sagten: „Das kann nicht sein.“ Eines Tages stand mein Vater mit einem großen Mercedes vor der Tür. Uns fehlte es wirklich am nötigsten und er kam mit einem Neuwagen an.
Konnten Sie in dieser Zeit mit jemand über die Gewalterfahrungen sprechen?
Nein, ich hatte auch überhaupt keine Zeit dafür. Ich musste in die Schule, zum Tanztraining, zu den Auftritten und in der Wirtschaft mithelfen. Was aber der Hauptgrund war: Ich habe mich unendlich für all das geschämt und deswegen nichts gesagt. Aber ich hatte auch großes Glück. Ein befreundetes Paar meiner Eltern hatte mitbekommen, was bei uns zuhause alles im Argen lag. Sie haben mir 200 Mark gegeben und gesagt: „Wenn es wieder einmal ganz arg ist, steigst du in ein Taxi und kommst zu uns.“ Das Geld habe ich in meiner Puppe versteckt, und mit 16 war es dann so weit. Ich habe mich in ein Taxi gesetzt und bin zu ihnen gefahren. Von da an habe ich mich komplett von meinen Eltern entfernt. Im Erwachsenenalter hat mich das befreundete Paar dann sogar adoptiert.
Heute können Sie über all diese schlimmen Erfahrungen sprechen. Wie haben Sie das geschafft?
Es war viel harte Arbeit, bis ich darüber sprechen konnte. Ich habe auch eine lange Therapie gemacht. Denn ich hatte gemerkt, ich bin meinen Eltern schon auch ähnlich. Das war die härteste Erkenntnis für mich. Ich hatte viel Aggression in mir. Bei meinem Vater hatte ich gesehen, wie aus einem Opfer ein Täter wurde. Ich selbst war auch knapp davor, und das wollte ich nicht. Heute geht es mir sehr gut. Für mich sind all die Erfahrungen ein Teil von mir und ich habe meinen Eltern verziehen. Ich habe auch viele gute Erinnerungen an sie: Sie waren beide sehr humorvoll.
Wie kann man Menschen verzeihen, die einen als Kind geschlagen haben, oder tatenlos dabei zugesehen haben?
Das ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen und mir wurde auch schon vorgeworfen, dass ich Gewalt verherrliche. Aber das tue ich ganz und gar nicht – im Gegenteil: Ich nehme mich der Gewalt an und widme mich ihr. Ich denke nicht, dass Verdrängung etwas bringt. Die Erinnerungen an traumatische Erfahrungen kriechen durch die kleinsten Ritzen wieder in unser Leben. Man muss sich ihnen stellen. Ich konnte sowohl mit meiner Mutter als auch mit meinem Vater vor ihrem Tod sprechen. Sie waren zwar nicht einsichtig, aber da ist kein Hass mehr in mir, und das ist auch gut so. Denn Hass führt zu nichts, schon gar nicht zu Selbstliebe, und das ist das Wichtigste: Dass man sich selbst lieben kann.