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Ein Vierer für die Corona-Politk

Chaos in der Schule, kein roter Faden bei der Pandemiebekämpfung, kaum Empathie für die Bedürfnisse junger Menschen: Kathi (17), Ania (17), Felix (15) und Tobi (19) haben jede Menge auszusetzen an der Corona-Politik. SALTO hat sie zum runden Tisch gebeten.

Interview: Cora Krüger, Magdalena Riedl, Tobias Vychytil
 

Worauf freut ihr euch am meisten im Leben nach Corona?
Ania: Ich werde wieder öfter mit meinen Freundinnen und Freunden essen gehen oder ins Café.
Kathi: Ich freue mich auch über offene Lokale und auf Bars. Viele Leute sagen mir, sie wollen unbedingt feiern gehen. Das muss es gar nicht unbedingt sein. Ich denke, einfach wieder unter Leute zu kommen, ist sehr positiv.
Tobi: Ich werde wieder mehr reisen.
Felix: Ich glaube, ich werde als Erstes ins Fußballstadion und wieder sehr oft
essen gehen. Damit man mal wieder Leute sieht und irgendwas passiert im
Leben.


Wenn es bei den Pressekonferenzen der Bundesregierung um junge Menschen ging, dann meistens um Schülerinnen und Schüler. Tobi, wie ist es dir da als Student ergangen?
Tobi: Da fühl ich mich von Bildungsminister Faßmann allein gelassen. Ich finde das eine Frechheit. Er sagt schon zu Schülerinnen und Schülern nicht viel und als Studentin oder Student bist du nochmal schlechter dran. Das finde ich echt schade, dass man da so gänzlich versagt.


Welche Schulnote würdet ihr der Bundesregierung für ihre Coronapolitik bezüglich des Umgangs mit jungen Menschen geben?
Felix: Drei minus, Vier. Irgendwie sowas um den Dreier.
Tobi: Ja, so einen Vierer, würde ich sagen.
Ania: Ich würde, glaube ich, auch zustimmen. Ein Vierer ist gut.


Ärgert es euch, dass von den Jungen Solidarität mit älteren und schwachen
Personen eingefordert wurde und wird, während man sie gleichzeitig in Sozialen Medien als Pandemietreiber bezeichnet?

Kathi: Das schickt schon eine Message an uns, die ziemlich unfair ist. Jetzt
ist meine Jugend! Es bringt mir nichts, wenn meine Mutter zu mir sagt: „Naja, in deinem Alter bin ich auch nicht so viel rausgegangen.“
Ania: Ich finde, dass die Politik ganz schön mit unseren Nerven spielt. Dieses ewige Hin und Her – worauf soll man sich da einstellen?

Florian Albert
Leute treffen, ins Fußballstadion, essen gehen: Die Pläne von Kathi, Ania, Felix und Tobi für das Leben nach der Pandemie sind bescheiden.

Was waren für euch die größten schulischen Schwierigkeiten im Zuge der
Pandemie?

Kathi: Sehr viel, aber schon primär der Motivationsverlust. Im Herbst konnte ich mich noch dazu zwingen, motiviert zu sein oder etwas zu machen. Im Frühjahr hatte ich nicht mal mehr Lust, Aufgaben abzuschreiben. Ich wollte am liebsten nur im Bett liegen. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Motivation ist einfach ein riesiger Faktor, der für mich verloren gegangen ist.
Ania: Bei mir ist das auch so. Ich würde mich eigentlich sonst als Schülerin sehen, die viel für die Schule macht. Und während der Pandemie habe ich gemerkt, dass es bei mir auch nicht mehr wirklich weitergeht und dass ich nicht mehr kann. Dass man zum Beispiel nicht mehr abschreiben möchte, das kann ich sehr gut nachvollziehen.


Geht es euch generell besser, wenn ihr Unterricht in Präsenz habt?
Kathi: Ja, auf jeden Fall. Natürlich auch das soziale Element, aber allein schon vom Schulischen her. Also den Online-Unterricht in Fächern, wo man nicht so stark ist – bei mir ist das Mathe –, pack ich überhaupt nicht. Dann waren wir einmal für zwei Stunden in der Schule und ich hatte das Gefühl: Okay, ich kann Mathe auf einmal wieder, weil das ein komplett anderes Aufmerksamkeitslevel ist.
Felix: Da ich auf eine Tourismusschule gehe, hätten wir normalerweise so Fächer wie Kochen oder Servieren im Präsenzunterricht. Und im Lockdown musste das halt auch irgendwie online beigebracht werden, was nicht vergleichbar ist für mich. Das kann man nicht in der Theorie lernen.
Kathi: Die Lehrer hatten so einen Stress, weil sie selbst auch nicht wussten,
ob sie uns den Stoff jetzt online beibringen müssen oder in der Schule. Es war für alle eine dumme Situation.
 

Habt ihr das Gefühl, dass sich die Pandemie auf eure mentale Gesundheit auswirkt?
Kathi: Auf jeden Fall, ich hatte 2019 ein schlechtes Jahr und 2020 hat auch nicht gut angefangen. Ich hatte ein Jahr lang eine Beziehung und habe davor ein Jahr lang keine anderen sozialen Kontakte gehabt, weil das keine gute Beziehung war. Dann hatte ich nicht die Chance, mich nach dem Ende dieser Beziehung wieder in Freundesgruppen zu integrieren. Mittlerweile habe ich wieder ein soziales Netzwerk gefunden, aber nicht in dem Ausmaß, wo ich sagen würde: Ich habe das Gefühl, ich habe mein 17. Lebensjahr so gelebt, wie ich es gerne gelebt hätte.
Tobi: Mir geht es psychisch ziemlich gut. Durch das Musikstudium habe ich ein paar Präsenzveranstaltungen an der Uni. Und durch das sehe ich verhältnismäßig viele Menschen, auch wenn man sich nur mit einem Mundschutz am Gang begegnet. Im Winter trifft man sich halt nicht bei irgendwem in der Wohnung, sondern geht gemeinsam Skifahren. Das heißt, ich habe es geschafft, immer gewisse soziale Kontakte zu halten. Auch im Studentenheim ist es mir eigentlich gut gegangen. Geschichte ist mein zweites Fach, da ist alles online. Da kenne ich nur zwei Leute aus dem Studium. Aber das Musikstudium ist bei mir eine
ziemliche Rettung gewesen, muss ich sagen.


Was hat euch sonst durch den Corona-Alltag geholfen?
Ania: Ich bin eine recht kreative Person und ich habe sogar angefangen zu malen. Das hat mir Freude gemacht, aber dann kam auch wieder die Motivationslosigkeit.
Kathi: Ich habe angefangen, exzessiv zu backen.
Felix: Ich habe gekocht – sogar für meine Eltern im Homeoffice!

„Ich komme mir verarscht vor“ – der Befund zu den Corona-Maßnahmen fiel bei den Jugendlichen recht eindeutig aus. Journalismus- Studierende der Fachhochschule Wien moderierten die Diskussionsrunde, die pandemiegerecht im Freien stattfand.

Findet ihr es unfair, dass die Jungen so spät geimpft werden?

Tobi: Naja, wir können uns ja rein theoretisch auch ins Wirtshaus setzen, wenn wir getestet oder genesen sind. Ich finde, das macht schon Sinn, dass die Risikogruppen zuerst geimpft werden. Aber Österreich hat das mit dem Impfen generell erst viel zu spät gecheckt. Das ist eher das Ärgerliche an dem Ganzen.
Kathi: Ich verstehe die Frustration. Auch wenn ich denke, dass die Impfpriorisierung fair ist. Trotzdem muss man beachten, was das mit der mentalen Situation der jüngeren Generationen macht – und das auch wirklich offensiv ansprechen: „Es ist okay, dass ihr euch so fühlt. Danke fürs Aushalten, danke fürs Warten.“ Und ja, es fühlt sich für uns mies an. Aber wenn wir jetzt einfach rausgehen und machen, was wir wollen, tragen wir damit auch nicht zur Problemlösung bei.
Felix: Ich finde, die Reihenfolge ist schon richtig und ich bin froh, dass das so durchgezogen wird. Meine Großeltern wurden jetzt zum Glück auch geimpft. Das finde ich schon wichtiger, als dass wir jetzt die Impfung bekommen. Wie gesagt wurde: Wir können uns auch getestet in ein Lokal setzen.


Was bräuchtet ihr von Politik und Gesellschaft, damit es euch in Zukunft besser geht?
Kathi: Wenn sie sagen, dass sie etwas machen, dann sollen sie das auch tun. Das sollte schon möglich sein. Am peinlichsten fand ich diese Corona-Ampeln in den Schulen. Da hieß es dann: „Grün, Gelb und Rot“. Dann waren die Ampeln auf Orange, und die Orange-Regelungen waren die Rot-Regelungen. Da kommt keiner mit und ich komme mir halt schon verarscht vor. Und ich denke mir: Wo ist die Weitsicht? Das hätte man schon vorher erwarten können.
Felix: Mir fehlt ein klarer roter Faden. Gefühlt bei allem, was die Regierung momentan macht. Sie sollte meiner Meinung nach an einem Ding festhalten und das dann auch so durchziehen, wie es angekündigt wurde. Sonst fehlt logischerweise irgendwann das Vertrauen.

Journalismus- Studierende der Fachhochschule Wien moderierten die Diskussionsrunde, die pandemiegerecht im Freien stattfand.

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