Lebenswege

„Du bist nie alleine“ –
Das ist Florians Geschichte

Ein ehemaliger Bewohner des SOS-Kinderdorf-Jugendhauses in Altmünster erinnert sich.

Florian mit seinem ehemaligen Betreuer "Joe" Hoffelner.

 

Als ich Florian das erste Mal begegne, fällt mir gleich seine offene und liebenswürdige Art auf. Mit einem strahlenden Lächeln und einem festen Händedruck stellt er sich mir vor. Und sehr schnell wird mir beim lockeren Gespräch mit Florian klar: Dieser junge Mann steht mit beiden Beinen im Leben und weiß ganz genau, was er in diesem noch erreichen will. „Nächstes Jahr will ich Matura machen, danach den Meister“. Florian ist 29 Jahre alt und inzwischen Projektleiter bei einer Elektro-Firma. Davor hat er die Lehre erfolgreich abgeschlossen und dann jahrelang in schwindelerregenden Höhen Sendemasten für eine große Telekommunikationsfirma montiert. „Es hat sich schon früh beim Florian gezeigt, dass er da Talent hat. Er hat schon als Kind immer etwas auseinandergeschraubt und herumgebastelt“, verrät mir sein langjähriger Betreuer vom Jugendhaus im SOS-Kinderdorf Altmünster, Josef (Joe) Hoffelner. Zwischen seinem 14. Und 18. Lebensjahr war Florian im Jugendhaus. Schon als Kind hat er Joe als Betreuer in seiner Wohngruppe „Gullivers“ (in Anlehnung an den Roman von Jonathan Swift) kennengelernt. Dort ist Florian mit mehreren seiner insgesamt 9 Geschwister hauptsächlich bei zwei Erzieherinnen aufgewachsen. Diese zwei Frauen hätten „ganze Arbeit“ geleistet, so Florian. Denn er und seine Geschwister seien keine „einfache Truppe“ gewesen, als sie ins Kinderdorf gekommen sind. Dort hat er dann erstmals ein liebevolles Zuhause kennengelernt, konnte zum Glück mit mehreren Geschwistern aufwachsen. Das sei für ihn auch sehr wichtig gewesen, erzählt mir Florian.

Eine besondere Beziehung

Bei seinem Start ins Leben hatte er es aber nicht leicht. Ein Schicksal, das Florian mit allen Kindern und Jugendlichen im Dorf geteilt hat. Mit sieben Jahren ist Florian ins SOS-Kinderdorf nach Altmünster gekommen. Zuvor ist er u.a. in einer Einrichtung in Linz untergekommen. „Florian war anfangs, als ich ihn kennengelernt habe, sehr zurückgezogen, oft sehr reserviert. Sein Schicksal hat mich ein bisschen an meine eigene Kindheit erinnert“, so Josef Hoffelner, der heute der Leiter des Jugendhauses in Altmünster ist. Und so hatte er gleich einen besonderen Draht zu Florian, erzählt er mir. Ein bisschen wie ein großer Onkel, mit dem man eben solche „Buben“-Sachen machen kann, wie kicken, Cart-Fahren oder ein, über einen Meter großes, Schiff aus Streichhölzern basteln. Wie eng die beiden miteinander sind, zeigt die Tatsache, dass Florian mit Joe’s Familie sogar einmal Weihnachten gefeiert hat, später ist Joe sogar Florians Firmpate geworden. Wie viel das beiden bedeutet hat, wird mir klar, wenn ich sie davon erzählen höre. „Ich habe ihn während einer Autofahrt gefragt, ob er mein „Firmged“ werden möchte und der Joe war erstmal ein bisschen überrascht, hat es dann aber sehr gerne gemacht. Er hat sich dafür sogar selbst erst firmen lassen müssen“, freut sich Florian. „Das hat dann mein Schwiegervater übernommen“, erinnert sich Joe.

Mit beiden Beinen fest im Leben

Es gibt ein paar Gänsehautmomente während des Gesprächs mit den beiden. Ich frage Florian, was das Besondere für ihn im SOS-Kinderdorf Jugendhaus war. „Ich habe einfach gewusst, dass immer jemand für mich da ist. Du bist hier nie alleine“, bringt es Florian auf den Punkt. Und sein Ex-Betreuer Joe ergänzt: „Selbst wenn sie mal Mist gebaut haben, was natürlich vorkommt, dann haben sie immer gewusst, dass sie wieder zu uns kommen können“. Dieser Rückhalt, den Florian insgesamt über 10 Jahre im SOS-Kinderdorf bekommen hat, die liebevolle Betreuung und das Wissen, dass immer jemand da ist, der ein offenes Ohr hat, das hat ihn genau zu der Person gemacht, die er heute ist. Ein junger Mensch, der mit beiden Beinen fest im Leben steht, klare Ziele hat und bei seiner Arbeit sehr engagiert ist. Mehrmals klingelt das Telefon während unseres Gesprächs.  Man merkt gleich, Florian geht in seinem Beruf auf. Wenn er seinen Meister und die Matura in der Tasche hat, will er noch dranbleiben: „Mit 35 will ich Ingenieur sein“, erklärt er mir gleichmal zu Beginn unseres Gesprächs. Ich bin ehrlich gesagt beeindruckt von Florians Werdegang und seiner Art. Davon könnten sich viele Jugendliche eine Scheibe abschneiden, denke ich so bei mir.

Erinnerungen die bleiben

Natürlich hat es auch klare Regeln im Haus gegeben.  Die älteren Jugendlichen mussten und müssen selbst mithelfen, Wäsche waschen oder ihre Zimmer sauber halten. Bevor die meisten Jugendlichen mit 18 das Jugendhaus verlassen und eigenständig leben, werden sie im so genannten Probewohnen auf ihr selbstständiges Leben danach vorbereitet. Das müsse man als Betreuer natürlich auch selbst vorleben, diese Werte vertreten, erklärt mir Joe. Auch der Umgang mit den Finanzen sei bei der Betreuung im Jugendhaus ganz wesentlich, so lernen die Kids früh, jeden Monat einen Teil vom Lehrgeld beiseitezulegen. Das habe ihm später auch sehr geholfen, erzählt mir Florian. Seit fünf Jahren hat er eine eigene Wohnung, lebt dort mit seiner Freundin, mit der er schon seit neun Jahren zusammen ist. Auch privat wirkt Florian also angekommen. Gemeinsam haben die beiden einen Hund und lieben es, mit ihm wandern zu gehen oder mit ihrem kleinen Boot am Traunsee zu fahren. Außerdem schraubt er gerne an einem alten VW-Bus. Auch wenn er schon längst aus dem SOS-Kinderdorf und dem Jugendhaus ausgezogen ist, seine Erinnerungen an diese Zeit sind noch sehr lebhaft: „Naja, wir waren schon wie eine kleine Familie. Wenn jemand Probleme hatte, waren wir füreinander da. Das ist heute oft noch so. Ich bin nach wie vor mit einigen ehemaligen Bewohnern befreundet“, so Florian. Einmal im Jahr gibt es im Jugendhaus zudem ein Ehemaligen-Grillen, zu dem alle einstigen Bewohner eingeladen sind. Und der Jugendhaus-Leiter, Josef Hoffelner, ist ein bisschen wie der Fels in der Brandung, bei dem Ehemalige auch nach ihrer Zeit im SOS-Kinderdorf vorbeischauen können, wenn ihnen etwas auf der Seele liegt. Oder einfach nur, um zu plaudern. „Das ist dann mein ganz persönliches Erfolgserlebnis, wenn ich sehe, wie meine ehemaligen Schützlinge erfolgreich und v.a. glücklich durchs Leben gehen. Und ganz besonders freut es mich natürlich, wenn sie mich dann auch mal kurz besuchen. Eine Ehemalige z.B. arbeitet beim Bäcker und kommt manchmal mit Kuchen vorbei“, schwärmte Joe. Aber natürlich freut er sich ganz besonders, wenn sein „Firmling“ Florian bei ihm vorbeischaut.