Internationale Aufarbeitung

Wichtige Entwicklungen für den Kinderschutz

Der Bericht der Independent Childprotection Commission liefert uns wichtige Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes in unserer Organisation.

Der überwiegende Teil der weltweit rund 40.000 Mitarbeiter*innen von SOS-Kinderdorf leistet täglich großartige Arbeit und setzt alles daran, Kinder bestmöglich zu stärken und zu unterstützen. Das bestätigt auch der Abschlussbericht der Independent Childprotection Commission unter dem Vorsitz von Waltraud Klasnic. Wir müssen aber eingestehen, dass in einem kleinen Teil unserer Arbeit schwerwiegende Fehler passiert sind. Das macht uns tief betroffen und wir entschuldigen uns bei allen Menschen, denen Unrecht widerfahren ist.

Wir können das Vergangene nicht ungeschehen machen, aber wir wollen gegenüber den Betroffenen eine Geste der Wiedergutmachung setzen. SOS-Kinderdorf bietet an, sie entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu unterstützen. Das kann die Übernahme von Therapiekosten sein, oder weitere finanzielle Entschädigungen.


Wir erreichen mit unserer Arbeit weltweit über 1,2 Millionen Kinder, Jugendliche und Eltern im Jahr. Wir helfen diesen jungen Menschen in Krisensituationen schnell, mutig und bedingungslos. Wir bieten ihnen Schutz und bewirken einen echten Unterschied für ihr Aufwachsen und ihren weiteren Lebensweg. Wir müssen eingestehen, dass bei einem kleinen Teil dieser Arbeit auch Fehler passieren und wir in der Vergangenheit den Schutz von Kindern nicht immer lückenlos gewährleisten konnten. Ganz besonders schmerzt die Tatsache, dass in vielen dieser Fälle den Opfern nicht zugehört oder geglaubt wurde. Ich möchte mich dafür in meinem Namen und im Namen der Organisation bei allen von Unrecht Betroffenen aufrichtig entschuldigen.

Elisabeth Hauser
Geschäftsführerin SOS-Kinderdorf

Im Mai 2021 hatte SOS-Kinderdorf Vorwürfe von Kinderschutzverletzungen öffentlich gemacht und die Kommission damit beauftragt, die Fälle umfassend zu überprüfen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Organisation auszusprechen.

Abschlussbericht der Kommission zum Download

Commission's report (English)

Stellungnahme von SOS-Kinderdorf zum Download

Statement SOS Childrens Villages (English)

 

Mit den zum Teil schmerzhaften Erkenntnissen der Kommission muss SOS-Kinderdorf nun umgehen. Wir dürfen uns deshalb aber nicht entmutigen lassen. Wir wollen weiter für die Kinder da sein, denn wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Darum gehen wir in eine intensive Fehlerbearbeitung und Weiterentwicklung unserer Organisation.

Die SOS-Kinderdorf-Idee hat auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt, ihre bestmögliche Umsetzung ist angesichts der globalen Entwicklung aktueller und bedeutsamer denn je.

Waltraud Klasnic
Kommissionsvorsitzende ICC

Umsetzung der Maßnahmen

Der Schwerpunkt bei der Weiterentwicklung des Kinderschtuzes liegt aktuell auf drei Bereichen:

Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gibt es bei SOS-Kinderdorf umfassende, strenge Richtlinien und Standards. Die Kommission hat festgestellt, dass die Richtlinien noch nicht in allen Bereichen ausreichend waren und außerdem die Umsetzung in einzelnen Länderorganisationen nicht immer zufriedenstellend ist.

SOS-Kinderdorf Österreich hat Anfang 2023 eine neue, alle Organisationsbereiche umfassende Kinderschutzrichtlinie präsentiert und in Umsetzung gebracht. Sie stellt erstmalig ein gemeinsames "Dach" aller Kinderschutzaktivitäten, Standards und Richtlinien dar und gilt für ALLE Mitarbeitenden in allen Organisationsbereichen, also z.B. auch im Spendenwesen.

International besteht eine große Herausforderung darin, die Umsetzung von Richtlinien und Standards unter unterschiedlichen lokalen Rahmenbedingungen und Gesetzeslagen zu gewährleisten. Ein gewisser Handlungsspielraum etwa bei Meldepflichten an Behörden macht in manchen Ländern, wo bei Strafverfolgung teilweise Menschenrechtsverletzungen drohen, durchaus Sinn. Bei SOS-Kinderdorf erkennt man aber die Ergebnisse der Kommission an, dass es notwendig ist, den Ermessensspielraum genauer zu definieren und zu beschränken.
 

Das gemeinsame Ziel von 138 Länderorganisationen von SOS-Kinderdorf ist es, Kindern ein liebevolles und sicheres Zuhause zu ermöglichen. Dieses Ziel können wir nur dann erreichen, wenn wir innerhalb unserer Föderation gut zusammenarbeiten. Herausforderungen in unserer Zusammenarbeit, die sich durch komplexe Strukturen, ein schnelles Wachstum und der Autonomie der Mitglieder ergeben, dürfen sich nicht negativ auf den Kinderschutz auswirken.

Man ist bei SOS-Kinderdorf davon überzeugt, dass die Autonomie der Länderorganisationen sehr viele Vorteile hat und einen wichtigen Teil dazu beiträgt, dass die Organisation in so vielen Teilen der Erde in vielfältiger Weise Kindern eine gute Zukunft ermöglichen kann. Autonomie bedeutet auch immer Verantwortung zu übernehmen. Wir haben erkannt, dass es notwendig ist, die internationale Zusammenarbeit neu aufzustellen. Nur so kann es uns gelingen, auf internationaler Ebene die zentralen Richtlinien und Standards zu stärken und trotzdem in der Umsetzung individuelle Handlungsmöglichkeiten beizubehalten.

Die Kommission hat unter anderem einen Fall rund um einen österreichischen Spender untersucht, der in den Jahren 2010 – 2014 in einem SOS-Kinderdorf in Nepal mehrere Burschen sexuell missbraucht hat. Die Untersuchungsergebnisse zeigen nun, dass es durch diesen Spender auch in Österreich zu sexuell übergriffigem Verhalten gegenüber Kindern gekommen ist. Wir sind zutiefst betroffen über diese Ereignisse und ganz besonders über die Erkenntnis, dass der Schutz der Kinder nicht immer an erster Stelle gestanden ist und die Interessen des Spenders zum Teil auf Kosten der Kinder gingen. Diese Erkenntnisse sowie die Empfehlungen der Kommission haben einen klaren Handlungsbedarf gezeigt.

Einerseits gab es bereits personelle Konsequenzen rund um den Missbrauchsfall durch den Spender, andererseits wurden bei SOS-Kinderdorf Schritte auf den Weg gebracht, um ein neues Selbstverständnis im Spendenwesen zu etablieren und Richtlinien zu erweitern. Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit wäre ohne die großartige Unterstützung der vielen Spender*innen schlichtweg nicht möglich. Dennoch müssen wir uns fragen, wie wir mit den Erwartungen unserer Spender*innen umgehen. Dabei gehe es auch um die Frage nach Abhängigkeiten und dem Ungleichgewicht zwischen Unterstützer*innen und Begünstigten. Bei SOS-Kinderdorf wird man in Zukunft noch besser die Privatsphäre von Kindern schützen zum Beispiel durch eine neue Besucher*innen-Richtlinie für Spender*innen. Auch eine Überarbeitung der Spenden-Patenschaft für einzelne Kinder im internationalen Bereich wird aktuell angedacht.
 

Aufruf zur Zivilcourage

Für das Melden von Verdachtsfällen stehen bei SOS-Kinderdorf neben den Mitarbeiter*innen auch eine externe Ombudsstelle und seit Sommer 2022 ein Whistleblowingsystem zur Verfügung:

 


Wir müssen weiter hinhören und hinschauen. Wir müssen Probleme ansprechen und uns dem Reden verpflichten. Seien wir wachsam und bringen wir die nötige Zivilcourage auf!

Elisabeth Hauser
Geschäftsführerin SOS-Kinderdorf

 

Abschluss der Senatskommission: 

Am 6. Juni 2023 veröffentlichte auch die Independent Special Commission, kurz ISC, die vom internationalen Senat von SOS-Kinderdorf eingesetzt wurde, die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Wie die ICC sieht auch dieser Abschlussbericht noch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes bei SOS-Kinderdorf.

SOS-Kinderdorf International hat zu den Ergebnissen Stellung bezogen