Care Day 2025

Ein Weg in die Selbstständigkeit 

Zum Care Day 2025 blicken wir auf die Herausforderungen und Erfolge junger Menschen zurück, die mit der Unterstützung von SOS-Kinderdorf den Weg ins eigenständige Leben gemeistert haben – die sogenannten Care Leaver.

Video mit Klick auf den Button abspielen.

Daniel und Tina, beide Care Leaver, mussten früh schwierige Lebenssituationen bewältigen. Sie lernten sich in einer SOS-Kinderdorf Wohngruppe in Wien kennen. Tina erinnert sich: „Ich war knapp 13 Jahre alt und eine der ersten, die in die WG einziehen durfte. Anfangs waren wir vier Jugendliche, später acht. Es war eine große Umstellung, aber ich habe dort Zusammenhalt gelernt – etwas, das ich vorher nie hatte.“ Über die Kinder- und Jugendhilfe kam sie zunächst in ein Krisenzentrum, dann zu SOS-Kinderdorf in die WG.

Auch Daniel berichtet von der Herausforderung, sich in einer neuen Umgebung mit neuen Menschen zurechtzufinden: „Man musste sich erstmal in der Wohngemeinschaft einleben, Beziehungen aufbauen – das war nicht immer einfach. Aber mit der Zeit wurde es wie eine zweite Familie. Jeder macht natürlich auch Fehler – gerade in der Pubertät, aber wir haben immer zusammengehalten.“

Martina Wieser im Gespräch mit Tina und Daniel.

Auf dem Weg zur Selbstständigkeit

Ein zentraler Bestandteil der Betreuung im SOS-Kinderdorf ist die Vorbereitung auf ein eigenständiges Leben. „Wir haben gelernt, Verantwortung zu übernehmen,“ erklärt Daniel. „Es gab Putzpläne, denn jeder musste im Haushalt mithelfen – Kochen, Staubsaugen, Müll rausbringen. Dabei wurde auf unsere Schul- oder Arbeitszeiten Rücksicht genommen. Das hat uns für die Zukunft vorbereitet.“ Auch Tina erzählt, dass sie bei SOS-Kinderdorf Fähigkeiten erlernen konnte, die ihr in ihrem Erwachsenenleben nun eine große Hilfe sind: „Ich habe gelernt, mit Geld umzugehen, stets saubere Kleidung zu haben und Konflikte zu lösen. Die Betreuer haben uns dabei unterstützt, immer an einem Strang zu ziehen und nicht aufzugeben.“

 

Daniel weiß zu schätzen, dass er bei SOS-Kinderdorf aufs eigenständige Leben vorbereitet wurde.  

Der Übergang vom Wohngruppenleben ins betreute Wohnen war jedoch eine Herausforderung. Denn wenn Jugendliche im WG-Leben gut zurechtkommen, folgt für sie der nächste Schritt: Das betreute Wohnen. Dabei leben die jungen Menschen weitgehend selbstständig in eigenen Wohnungen und werden vom Betreuungsteam nur noch punktuell unterstützt. Schrittweise werden junge Menschen so in ihrer Eigenverantwortung gestärkt. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser,“ gibt Tina zu. „Vor allem die finanzielle Eigenverantwortung war anfangs echt schwierig und auch, dass man plötzlich ganz alleine gewohnt hat, war eine große Umstellung. Aber die Betreuer waren immer für uns da.“

Ein starker Rückhalt

Für die meisten Jugendlichen ist der 18. Geburtstag ein lang ersehnter Meilenstein, auf den sie sich freuen. Für junge Menschen, die wie Tina und Daniel nicht bei ihren Eltern aufwachsen, bedeutet dieser Tag aber oft das Gegenteil. Denn ab diesem Stichtag haben sie kein Anrecht mehr auf manche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Das kann bedeuten, dass sie  aus ihrem gewohnten Umfeld genommen werden und somit auch ihr einziges Sicherheitsnetz verlieren. Das ist für viele junge Menschen, die SOS-Kinderdorf betreut, ein sehr großer Schritt, der kaum zu bewältigen ist. Denn viele waren in ihrer Kindheit großen Belastungen ausgesetzt und brauchen etwas länger Zeit, um erwachsen zu werden. Die Unterstützung durch SOS-Kinderdorf endet nicht abrupt mit dem 18. Geburtstag. Martina Wiener, Sozialpädagogin und Beraterin für Care Leaver bei SOS-Kinderdorf, betont die Bedeutung von engmaschiger Nachbetreuung: „Unser System bzw. unsere Gesellschaft, ist auf ein intaktes Familiensystem ausgelegt. Care Leaver, also junge Erwachsene, die aus der Fremdbetreuung entlassen werden, können darauf nicht zurückgreifen, denn sie haben das meist nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch nach der Volljährigkeit ansprechbar bleiben und unterstützen können.“ SOS-Kinderdorf finanziert in ganz Österreich Nachbetreuungsstellen. Das heißt: Jede Person, die in ihrem Leben von SOS-Kinderdorf betreut wurde, kann sich jederzeit an uns wenden.

Die Unterstützung durch SOS-Kinderdorf endet nicht abrupt mit dem 18. Geburtstag.

Martina Wiener
Anlaufstelle SOS-Kinderdorf

 

Die meisten jungen Erwachsenen, die bei ihrer Familie aufwachsen, ziehen oft nicht vor dem 25. Lebensjahr aus ihrem Elternhaus aus, merkt Tina an. „Das ist eine Chance, die wir, die in Betreuung aufgewachsen sind, nicht erhalten. Wir müssen viel früher Erwachsen werden.“

 

Mit Unterstützung zum Erfolg

Sowohl Daniel als auch Tina haben ihren Weg ins Berufsleben gefunden – oft mit Höhen und Tiefen. „SOS-Kinderdorf hat mir mehrfach aus der Klemme geholfen – nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Es gab Gespräche mit meinem Ausbildungsbetrieb, als ich mich fast kaputtgearbeitet habe. Heute bin ich sehr stolz, beim Fonds Soziales Wien zu arbeiten.“, sagt Daniel mit einem Lächeln im Gesicht.

Auch Tina konnte ihre Träume verwirklichen: „Ich habe meinen Hauptschulabschluss nachgeholt, habe zwei Kinder und eine Ausbildung zur Kindergartenbetreuerin absolviert. Das SOS-Kinderdorf hat mir dabei geholfen, an mich zu glauben.“

 

Tina hat ihre Ausbildungen abgeschlossen und lebt heute mit ihren zwei Kindern in Wien. 

 

Martina sieht neben den Erfolgen aber auch die Schwierigkeiten, die Care Leaver nach Ende der Betreuung oft erleben. „Viele fühlen sich einsam oder überfordert, wenn die Betreuung endet. Unser System bietet nur begrenzte Unterstützung für junge Erwachsene ohne familiären Rückhalt – etwa bei psychischen Problemen oder der Wohnungsfindung.“

Um die Benachteiligung von Care Leaver endlich zu beenden, fordert SOS-Kinderdorf einen gesetzlichen Anspruch auf Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe für ALLE die es brauchen, zumindest bis zum 24. Lebensjahr, um der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gegenüber diesen jungen Menschen gerecht zu werden. Völlig unabhängig davon, in welchem Bundesland Betroffene leben. Derzeit werden Verlängerungen von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich gehandhabt. Wir wünschen uns deshalb eine österreichweite Lösung.

 

 

Anlaufstellen für Care Leaver von SOS-Kinderdorf 

Ehemalige SOS-Kinderdorf-Kinder erhalten in jedem Bundesland Beratung und Unterstützung, wenn sie als junge Erwachsene in schwierige Lebenssituationen geraten. So ermöglichen wir rasche, unbürokratische und unentgeltliche Hilfe und Beratung bei finanziellen, rechtlichen und psychischen Problemen an. 

Beratungen finden zu folgenden Themen statt:

Wohnen, drohender Delogierung, Arbeit/Ausbildung, Partnerschaft/Familie, psychischer und physischer Gesundheit, persönlichen Krisen, Schriftverkehr mit Behörden, Finanzen, Rechtsfragen Haftentlassung, Sucht, Alltagsbewältigung, Therapie, etc.

Zusätzlich können im Rahmen der Beratung auch Begleitungen zu Terminen stattfinden, die den jungen Menschen allein vielleicht unangenehm sind. Eine Beratung kann (nahezu) überall stattfinden: Beim Spazierengehen, in den Räumlichkeiten der Beraterinnen, in einem Kaffeehaus, über WhatsApp/E-Mail/Telefon, etc.

Weitere Artikel