Rat auf Draht – 10.10.22

Psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen: Kein Ende in Sicht

Kinder sind die Zukunft: Umso wichtiger ist es, ihnen ein gesundes Heranwachsen zu ermöglichen. Doch die psychischen Belastungen sind weiterhin enorm, meldet Rat auf Draht.

Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Zukunftsängste: Die Belastungen, denen Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren ausgesetzt waren, sind groß und haben oft ihre psychische Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen. Ein rasches Ende dieser Stressfaktoren scheint nicht in Sicht. Anlässlich des Welttages für psychische Gesundheit am 10. Oktober schlägt auch Rat auf Draht Alarm: „Die Anfragen zum Thema Gesundheit, psychische Erkrankungen und Suizidgedanken haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Schnitt führen wir zum Thema Gesundheit täglich 13 Beratungen durch, zu psychischen Erkrankungen sind es fünf und zu Suizidgedanken vier Gespräche täglich“, berichtet Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147.

Anstieg um über 40 Prozent

Tatsächlich nahmen psychische Erkrankungen bei den Themen, die Anrufer*innen bei 147 im Jahr 2021 am meisten beschäftigten, mit 1328 Anfragen den dritten Platz ein. „Im Vergleich zu 2019, sprich der Zeit vor der Pandemie, entspricht das einem Anstieg von 41 Prozent“, so Satke. Mehr Beratungsgespräche gab es im Vorjahr nur zu Themen rund um Liebe und Beziehung (1333) und zu Fragen rund um das Thema Eltern (1966). Auch die Elternseite vom Rat auf Draht, ein Angebot speziell für Eltern und Bezugspersonen, zeichnet ein ähnliches Bild. „Wir hatten heuer bereits rund 200 Anfragen besorgter Eltern und Bezugspersonen zur psychischen Gesundheit ihrer Kinder“, sagt Corinna Harles, psychologische Leiterin der Elternseite, wo diese Thematik im Ranking ebenfalls den dritten Platz einnimmt.
 

Situation nach wie vor ernst

Die Gespräche mit Kindern und Jugendlichen zeigen: Obwohl sich die Situation im Jahr 2022 durch die Lockerung der Corona-Maßnahmen kurzzeitig etwas entspannt hat, sind die psychischen Belastungen für viele junge Menschen nach wie vor sehr groß. Dazu zählen: massive Angstzustände, Schlafstörungen, autoaggressives Verhalten, Essstörungen, Panikattacken, mangelnde Zukunftsperspektiven und Einsamkeit. „Die möglichen negativen Auswirkungen auf die Bildung, Teilhabe und die körperliche sowie mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch die derzeitige Energiekrise und die damit verbundene Armutsgefährdung mancher Familien, sind hier noch gar nicht berücksichtigt“, sagt Satke.
 

Mehr Therapieplätze für Kinder und Jugendliche

Signale, die jedenfalls Handlungsbedarf erfordern: „Die Pandemie hat zwar das öffentliche Bewusstsein für mentale Gesundheit steigen lassen, nach wie vor werden aber psychische Erkrankungen und Suizidgedanken in der Gesellschaft als Tabuthemen behandelt. Krisen gehören zum Leben dazu, man muss sie aber nicht alleine durchstehen“, sagt Satke. Psychische Belastungen rechtzeitig zu erkennen, diese ernst zu nehmen und im Bedarfsfall professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Der Ausbau niederschwelliger Beratungsangebote wie Rat auf Draht wäre daher umso wichtiger, um bereits präventiv gegenzusteuern. Ebenso wären mehr und schneller verfügbare Therapieplätze für Kinder und Jugendliche dringend notwendig“, so die Expertin.
 

Prävention und Vermittlung

Rat auf Draht nimmt bei der psychosozialen Beratung sowohl Präventionsaufgaben als auch Vermittlungsfunktion ein: „Wir führen Beratungen zu verschiedensten psychischen Erkrankungen durch, leisten Aufklärungs- und Präventionsarbeit zum Thema Gesundheit, unterstützen Hilfesuchende, die an einer akuten oder chronischen Krankheit oder Beeinträchtigung leiden. In akuten Krisen tragen wir zur Stabilisierung der betroffenen Kinder und Jugendlichen bei und führen Kriseninterventionen durch“, erklärt Satke. Im Bedarfsfall und auf Wunsch der Hilfesuchenden sind auch Konferenzschaltungen zu weiterführenden Einrichtungen in ganz Österreich möglich. Weiters werden kontinuierliche Begleitungen von traumatisierten Kindern und Jugendlichen durchgeführt und weiterführende therapeutische Maßnahmen vorbereitet. Die Elternseite unterstützt die Eltern dabei, den Kindern und Jugendlichen eine Stütze zu sein. „Denn eine gute Beziehung zu wenigstens einer Bezugsperson ist ein großer Schutzfaktor für Kinder und Jugendliche“, sagt Harles.
 

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