Mitbestimmen macht stark -Tipps für einen Familienalltag auf Augenhöhe

Kinder wollen - genauso wie Erwachsene - gehört und in Entscheidungen mit einbezogen werden. Die SOS-Familientipps zeigen, wie kleine Schritte mehr Wertschätzung und Austausch in die Familie bringen können.

Schlafens- und Ausgehzeiten, Mediennutzung oder Schul- und Berufswahl – in einer Familie werden laufend Entscheidungen getroffen, die Kinder und Jugendliche betreffen. Nicht immer wird die Meinung des Nachwuchses dabei berücksichtigt. Zu oft kommunizieren Erwachsene nicht auf Augenhöhe, sondern wollen, dass Kinder funktionieren und machen, was man ihnen sagt. Entscheidungen gemeinsam zu treffen kostet Zeit und Nerven. Aber es zahlt sich aus! Denn Mitgestalten macht stark. Und unsere Gesellschaft braucht starke Kinder und Jugendliche, die selbstbestimmt ihr Leben gestalten.
 
„Wenn Kinder und Jugendliche miteinbezogen werden, lernen sie ihre Bedürfnisse zu spüren und mitzuteilen. Sie lernen, eigene Lösungen zu entwickeln und für diese einzutreten, aber auch, selbst zuzuhören und andere Meinungen zu respektieren“, so Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin bei SOS-Kinderdorf. Sie hat Tipps, wie die ganze Familie von gelebter Mitbestimmung profitiert:


#1 Zuhören und Ernst nehmen

Zeigen Sie Ihrem Kind, dass seine Meinung wichtig ist, indem Sie aufmerksam zuhören, wenn es zum Beispiel von den Erlebnissen des Tages erzählt. Ein Abendritual, bei dem genügend Zeit dafür eingeräumt wird, ist für Kinder meist etwas ganz Besonderes. Wenn Kinder von klein auf erfahren, dass ihre Gedanken ernst genommen werden, lernen sie einen respektvollen Umgang mit ihren Mitmenschen. Und regelmäßiger Austausch schafft die beste Basis für Situationen, in denen man einmal nicht einer Meinung ist.


#2 – Kindern mehr zutrauen

Haben Sie schon einmal bemerkt, wie Ihre Kinder Ihren Alltag imitieren? Wie die Kleinen den Besen in die Hand nehmen und kehren oder beim Kochen helfen wollen? Nützen Sie dieses Interesse und lassen Sie Ihr Kind bei den täglichen Erledigungen mithelfen und eigenständig Aufgaben übernehmen. Haben Sie dabei ruhig Zutrauen in die Fähigkeiten Ihres Kindes! So können sich schon die Kleinsten am Alltag beteiligen und Selbstwirksamkeit erfahren. Auch ein gemeinsamer Haushaltsplan kann ein guter Weg sein, um Aufgaben in der Familie zu verteilen und Kindern mehr Verantwortung zu geben.


#3 – Gemeinsam Regeln vereinbaren

Regeln genießen mehr Akzeptanz, wenn sie gemeinsam vereinbart werden. Besprechen Sie in der Familie, welche Themen den einzelnen Familienmitgliedern wichtig sind, wo es Konflikte gibt, die das Zusammenleben erschweren, und was jeder und jede tun kann, damit sich alle wohl fühlen. Halten Sie Ihre wichtigsten gemeinsamen Regeln in einem „Familien-Vertrag“ fest – von A wie Ausreden lassen bis Z wie Zusammenräumen. Am Ende unterschreiben alle mit ihrem Namen und die Regeln werden gut sichtbar Zuhause aufgehängt. Das heißt: Ich trage diese Entscheidung mit. Und natürlich gelten diese Regeln dann auch für die Erwachsenen! 


#4 – Entscheidungen gemeinsam treffen

Beziehen Sie Ihr Kind in Alltags-Entscheidungen mit ein und berücksichtigen Sie die Interessen Ihres Kindes, zum Beispiel bei der Wochenend- oder Urlaubsplanung: Was ist den einzelnen Familienmitgliedern wichtig? Ein bisschen Ruhe in der Sonne? Ein gemeinsames Abenteuer? Sammeln Sie alle Ideen und Wünsche, oft sind Kinder dabei kreativer als Erwachsene. Versuchen Sie dann Aktivitäten zu finden, an denen alle Freude haben. Auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden können, ist es wichtig, dass diese ausgesprochen und gehört werden. Denn wenn Kinder und Jugendliche erleben, dass ihre Stimme gehört wird, vertreten sie ihre Standpunkte auch später klar.


#5 – Diskutieren statt streiten

Kinder sollten lernen, dass nicht immer alle der gleichen Meinung sind. Und dass eine sachliche Diskussion nicht gleichbedeutend mit einem Streit ist. Wenn Sie in der Familie bei einem Thema unterschiedliche Ansichten haben, besprechen Sie diese. Lassen Sie einander ausreden und bemühen Sie sich, die Argumente gegenseitig zu verstehen. Nicht jede Diskussion muss darin enden, dass man derselben Meinung ist. Viel wichtiger ist es, damit umgehen zu können, wenn jemand einen anderen Standpunkt hat als man selbst.


#6 – Entscheidungen erklären

 Jeden Tag Gummibärchen zum Abendessen? Die ganze Nacht am Handy spielen? Beteiligung bedeutet nicht, dass Kinder und Jugendlichen alles alleine bestimmen. Denn die Erwachsenen tragen die Verantwortung für das Wohl der Kinder. Aber Beteiligung heißt, Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Kinder haben mehr Verständnis für Entscheidungen, wenn sie diese verstehen. Wenn Sie also eine Entscheidung entgegen der Wünsche des Kindes treffen, erklären Sie den Grund dafür. Bleiben Sie offen für die Argumente des Kindes aber teilen Sie ehrlich und klar, wo Sie Grenzen setzen und warum Ihnen das wichtig ist.

 

Mitbestimmung kennt viele Formen. Nicht OB man Kinder und Jugendliche im Alltag beteiligt ist die Frage, sondern WIE. Jede Familie kann für sich den passenden Weg finden. Nur Mut – etwas Neues auszuprobieren lohnt sich!

Katrin Grabner
Kinderrechtsexpertin SOS-Kinderdorf

 

Zum gleich Loslegen hat SOS-Kinderdorf ein Workbook mit praktischen Übungen entwickelt. Hier downloaden: www.sos-kinderdorf.at/mitsprache