SOS-Kinderdorf Comitán
Das Bewusstsein für die Rechte der indigenen Bevölkerung ist in jüngster Zeit gewachsen. Die mexikanische Regierung hat verstanden, dass die Bemühungen zur Verbesserung der Lage der indigener Völker verstärkt werden müssen. Tausende Familien in Chiapas leben nach wie vor in extremer Armut und leiden an sozialer Ausgrenzung.
In Chiapas ist der Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit noch lange nicht beendet
Comitán liegt im Süden Mexikos im Bundesstaat Chiapas und hat über 140 000 Einwohner. Chiapas wird vor allem auf dem Land hauptsächlich von indigenen Minderheiten bewohnt und zählt seit langem zu den ärmsten Staaten Mexikos. Der überwiegende Teil der Ländereien gehört einigen wenigen Großgrundbesitzern. Die Wirtschaft basiert hauptsächlich auf dem Tourismus und der Landwirtschaft. In jüngster Zeit hat auch der Bergbau an Bedeutung gewonnen. Dennoch ist die Mehrheit der Bevölkerung bislang von den wirtschaftlichen Fortschritten der Region ausgeschlossen.
Die weit verbreitete Armut und soziale Ausgrenzung vieler Menschen führten 1994 in Chiapas zu einem bewaffneten Aufstand der EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung). Ihre Anhänger kämpfen - mittlerweile meist gewaltlos - für die Verbesserung der Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung des Landes: sie sollen Landrechte erwerben und sich somit eine Lebensgrundlage schaffen können. Die EZLN fordert, dass die Menschen in Chiapas direkt an den Gewinnen aus den natürlichen Ressourcen ihres Landes beteiligt werden.
Kinder indigener Mütter sind die schwächsten Glieder der Gesellschaft
In Mexiko ist der Wohlstand extrem ungleich verteilt: während beispielsweise in Baja California im Norden des Landes etwa 1,3 Prozent der Menschen an Ernährungsarmut leiden, sind es in Chiapas 47 Prozent. Folglich ist auch die Rate der Unterernährung entsprechend hoch. Auch der Mangel an Erwerbsfähigkeit (Besitz an Kenntnissen, die für eine berufliche Tätigkeit erforderlich sind) ist in Chiapas mit 55,9 Prozent am höchsten. Diese wirtschaftliche und soziale Not beruht unter anderem auf der Tatsache, dass in den ländlichen, überwiegend indigenen Landesteilen weit weniger öffentliche Investitionen als in anderen Landesteilen getätigt werden.
Auch die Rate der Analphabeten ist in der indigenen Bevölkerung mit 25,5 Prozent weit höher als im Landesdurchschnitt von 9,2 Prozent. Viele indigene Gemeinden liegen abgeschieden und verfügen nicht einmal über geteerte Straßen, die Kindern den Schulweg ermöglichen würden.
Indigene Frauen und Mädchen sind besonders benachteiligt. Seit langem leiden sie an wirtschaftlicher und sozialer Ausgrenzung, und es bedarf noch großer Anstrengungen, um das Bewusstsein für ihre Rechte zu schärfen. Viele indigene Frauen sprechen auch heute noch lediglich ihre Muttersprache. Dadurch wird der Zugang zum Bildungssystem zusätzlich erschwert, da der Unterricht meist auf Spanisch gehalten wird.
Viele Mädchen sind noch sehr jung, wenn sie das erste Mal Mutter werden, bekommen danach viele weitere Kinder und haben dabei nur selten Zugang zu einer medizinischen Versorgung. Das Risiko, bei der Entbindung oder an Komplikationen während der Schwangerschaft zu sterben, ist daher sehr hoch.
Unsere Arbeit in Comitán
SOS-Kinderdorf begann seine Tätigkeit in Comitán im Jahr 1994 mit einem Nothilfeprogramm. Einige Jahre später wurde die Nothilfe in eine langfristige Unterstützung umgewandelt.
Familien stärken: Heute bietet unser Sozialzentrum ein Familienstärkungsprogramm, um die Not der Gemeinde auf ganzheitliche und nachhaltige Art und Weise zu lindern. Zu den Angeboten zählen eine Kindertagesstätte und ein Tagesmütterprogramm, in denen berufstätige Eltern und alleinerziehende Mütter ihre Kinder in sicherer Obhut lassen können, während sie arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen.
Die Sozialzentren bieten darüber hinaus Informationsveranstaltungen und Lehrgänge für Jugendliche und Erwachsene aus der Gemeinde und dem Kinderdorf. Die Zentren stehen insbesondere traumatisierten Kindern mit Beratungen und psychologischem Beistand zur Seite.
Betreuung in SOS-Familien: Bis zu 144 Kinder aus der Region, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, finden in 16 SOS-Familien ein liebevolles Zuhause. Hier werden sie gemeinsam mit ihren Geschwistern von SOS-Müttern fürsorglich betreut. Die Kinder besuchen die nahegelegenen Kindergärten und Schulen und sind daher sehr gut in ihre Umgebung integriert.
Unterstützung für Jugendliche: Junge Menschen, die ihren SOS-Familien entwachsen und eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren möchten, können in die betreuten Wohngemeinschaften des SOS-Jugendprogramms ziehen. Mit der Unterstützung qualifizierter Fachkräfte können sie ihre Zukunft planen, Verantwortung zu übernehmen lernen und sich auf ein Leben in Selbständigkeit vorbereiten.