Nötiger Halt für Mädchen
Ulrike Morianz, selbst zweifache Mädchenmama, ist Pädagogische Leiterin einer Mädchen WG vom SOS-Kinderdorf in Graz. Sie hat schon viele Mädchen kommen und gehen sehen. 298 Mädchen waren es im Laufe ihrer Arbeit für SOS-Kinderdorf.
"Einige Mädchen, die zu uns kommen, haben Dinge erlebt, die ein Mädchen in seiner Kindheit, Jugend, eigentlich nie erleben sollte. Schwerer Missbrauch, Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Drogenkonsum. Oft ist es auch einfach ein psychisch labiles Elternhaus, welches einem Kind nicht den nötigen Halt bieten kann.
Viele dieser jungen Mädchen plagt neben ihrer schwierigen Vergangenheit auch eine gewisse Zukunftsleere. Die coronabedingten Schwankungen sorgen für massive Unsicherheiten und machen die Chance auf eine gute Perspektive nicht leichter. Wir müssen aufpassen, dass unsere Mädels nicht in eine soziale Einöde driften. Die Absagenflut gewohnter Freizeitaktivitäten und im Ausbildungsbereich, Ängste um die eigene Familie, da halten sich die rosigen Aussichten derzeit ziemlich in Grenzen."
Mädchen für alles
Für Lichtblicke und gelingenden Alltag in der Mädchen WG sorgt Johannes Schantl, sozusagen Mädchen für alles. Johannes Schantl, einziger männlicher Sozialpädagoge in der Mädchen WG von SOS-Kinderdorf in Graz, ermutigt die Mädels zum Kickboxen, trainiert mit ihnen gemeinsam, kocht mit ihnen Eierspeise zum Frühstück, putzt und kümmert sich um die Katzen und sämtliche Belange.
"Die Mädels gehen gern mit mir shoppen, fragen mich nach Rat in Sachen Liebeskummer und ich musste auch schon Händchen halten, beim Arzt. Allerdings sagen auch sie mir gerne, welche Schuhe ich am besten tragen soll. Die hier zum Beispiel, die ich heut anhabe...
Manchmal ist der Zorn und die Wut auf die ganze Welt so groß, da bekommen wir Betreuer natürlich auch einiges ab. Wir sind auch schon einfach mal gemeinsam Auto gefahren und haben einfach laut Musik gehört.“
Was brauchen die Mädels vor allem? "W-LAN, Pizza und Handy" lacht Johannes. "Nein, ganz im Ernst, jemanden zum Zuhören. Oder einfach nur jemanden, der für sie da ist. Ein sicheres Umfeld, stabile Beziehungen. Beziehungsabbrüche haben sie schon genug hinter sich."
Als Erfolg zählt es in der WG, wenn es guten Kontakt zu Mama oder Papa gibt, falls die Vorgeschichte es zulässt. Oder auch eine gelungene Schulwoche, ein unterschriebener Lehrvertrag. Eine Woche, ohne schwere Vorkommnisse, Notarzt und Polizei.