"Wir sind Familie!"

Das sagen sich Vater Mirza und Sohn Haris aus Bosnien stolz und umarmen sich dabei. Sie pflegen einen liebevollen Umgang miteinander und fühlen sich eng verbunden. Doch es gab auch andere Zeiten, dunkle Stunden, die sie dank der SOS-Familienstärkung hinter sich gelassen haben.

Vater und Mutter sein

Mirza bekam nach der Scheidung das Sorgerecht für seinen zweijährigen Sohn Haris. Völlig unvorbereitet, ganz auf sich allein gestellt. Er arbeitete als Taxifahrer in Nachtschichten um untertags für Haris sorgen zu können.  Am Abend wachten die Nachbarn über den Schlaf des Kindes. Die vielen Nachtschichten und ständige Geldsorgen belasteten das Familienleben zwar regelmäßig, aber das Vater-Sohn-Gespann kam damit zurecht.

 

Und plötzlich war alles anders

Dann kam der Tag, der alles veränderte: Und Stunden, auf die beide sehr ungern zurückblicken. Haris war gerade elf Jahre alt. Er wurde dabei ertappt, wie er eine Gummipistole aus einem Geschäft stahl, wohl wissend, dass sein Vater ihm jegliches Kriegsspielzeug strikt verboten hatte. Zu Hause verlor Mirza beim Anblick der Pistole die Kontrolle und er schlug auf seinen Sohn ein. Die Nachbarn riefen die Polizei. Mirza musste von der Polizei abgeführt werden, Haris kam umgehend in eine Pflegefamilie, für sechs Monate gab es keinen Kontakt mehr.
 

Haris (Name geändert) ist 14 Jahre alt und ein ausgezeichneter Schüler.
Mirza brach völlig zusammen. Bei der späteren Aufarbeitung stellte sich heraus, dass er nach dem Krieg als Soldat an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt, die nie behandelt wurde. Für Mirza war das nie eine Ausrede: "Ich muss alles daran setzen, dass so etwas nie wieder vorkommt und vor allem mein Sohn diese erlebte Gewalt nicht an die nächste Generation weitergibt!"

Heute leben Haris und Mirza wieder zusammen, unterstützt und begleitet von der SOS-Familienstärkung. Mirza und Haris besuchen psychologische Beratungen und nehmen auch an Gruppenaktivitäten in den Eltern- und Kinderclubs teil. "Wir unterhalten uns ständig mit beiden", sagt Ileana Snur-Muratagic, die SOS-Familien-Sozialarbeiterin. "Und wir sehen, dass sich die Beziehung zwischen ihnen verbessert hat."

Unterstützung & Begleitung

"Psychologische und emotionale Unterstützung ist für diese kleine Familie besonders wichtig", erklärt Ileana. Mirza war in den 1990er Jahren Soldat im Bosnienkrieg und zeigt Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch Haris Verhalten hat sich nach dem gewaltsamen Zwischenfall mit seinem Vater geändert. Beide haben sehr unter der Trennung gelitten.

Für Mirza ist die SOS-Familienstärkung die erste Unterstützung, die er bei der Erziehung seines Sohnes erhalten hat. "Ich habe nie mit Hilfe gerechnet, weil mir meine eigene Familie nicht geholfen hat", sagt Mirza. "Hätte ich doch früher davon erfahren, oder mich selber darum gekümmert!" macht sich Mirza Vorwürfe, "Es wäre wohl alles anders gekommen!"

In letzter Zeit fragt Mirza SOS-Helferin Ileana regelmäßig um Rat, speziell bei Erziehungsfragen, aber auch für andere Gespräche ist Ileana immer offen. 

Dank der SOS-Familienstärkung sind Vater und Sohn wieder glücklich vereint.

Zum Beispiel bei Geldsorgen, die Mirza schon von Anfang an begleiten. Derzeit arbeitet Mirza als Nachtwächter, sein Einkommen ist niedrig. Er weiß nicht, wie lange er diesen Job noch haben wird. "Es ist mir egal, wenn ich nichts zu essen habe", sagt Mirza. "Aber meinem Sohn soll es an nichts mangeln."

Derzeit ist Haris' Taekwondo Ausbildung im Gespräch: Die Mitglieder sollen dort alle die gleiche, teure Sportausrüstungen kaufen. Das kann sich Mirza nicht leisten. Ileana spricht mit Trainer und Verein und gemeinsam überlegen sie nun, wie Haris sein geliebtes Hobby trotzdem fortsetzen kann. "Gemeinsam finden wir immer eine Lösung", zeigen sich Ileana optimistisch.

Dieser neue Optimismus färbt stark auf Mirza und Haris ab. Vieles hat sich zum Guten verändert: Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Sie reden miteinander. Beide bemühen sich. Auch wenn das Geschehene schmerzlich an ihrer Erinnerung nagt, so haben doch die Stunden, Tage und Monate der Trennung den beiden gezeigt, was sie aneinander haben, was sie sich bedeuten und wie schnell dieses fragile Gefüge auseinanderbrechen kann. Sie haben beide den Willen gezeigt, an sich zu arbeiten und mit der Unterstützung von SOS-Kinderdorf gemeinsam zu wachsen. Das haben sie geschafft.

Hilfe aus Österreich

Die Familienstärkung von SOS-Kinderdorf in Bosnien-Herzegowina wird von der ADA (Austrian Development Agency - Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit) subventioniert und zur Hälfte aus Spendengeldern aus Österreich finanziert. Mit Ihrer Spende helfen Sie mit, die Familienstärkung in Bosnien-Herzegowina am Leben zu halten.

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