Millionen Menschen leben in der „Religionshauptstadt von Indien“ in Armut
Varanasi liegt an den Ufern des Ganges in Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat Indiens. Varanasi ist ein Wallfahrtsort für Hindus, Buddhisten und Jains und nicht nur ein religiöses und kulturelles Zentrum, sondern durch die Herstellung von Saris, Teppichen und Kunsthandwerk auch ein bedeutender Wirtschaftsstandort.
Die Stadt hat ein rasantes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen. Nach offiziellen Angaben haben sich die Einwohnerzahlen von 2001 bis 2011 fast verdreifacht und liegen derzeit bei über 3,2 Millionen. Es gibt nicht genügend Wohnraum, und die Infrastruktur ist durch das Bevölkerungswachstum überlastet.
Schätzungen zufolge leben knapp 38 Prozent der Bevölkerung in den Elendsvierteln der Stadt. Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetentum sind hier weit verbreitet. Die Menschen leben in prekären Behausungen ohne Zugang zu Basisinfrastruktur oder sozialen Dienstleistungen.
Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, leiden häufig an Krankheiten und Mangelernährung. Viele sind vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedroht, da ihre Eltern selbst ums Überleben kämpfen und die materiellen und emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder nicht ausreichend befriedigen können. Manche Kinder arbeiten tagsüber auf der Straße und versuchen etwas Geld für ihre Familien aufzutreiben, in dem sie Kerzen und Blumen an Touristen und Pilger verkaufen. Die Sicherheit, Ernährung und gesunde Entwicklung dieser Kinder sind ernsthaft gefährdet.
Zahlreiche Frauen und Mädchen leiden unter den Folgen der Geschlechterungleichheit. Nach der jüngsten Volkszählung liegt die durchschnittliche Alphabetisierungsrate des Bundesstaates bei 77 Prozent. Allerdings können 85 Prozent der Männer, aber nur 68 Prozent der Frauen lesen und schreiben. Das SOS-Familienstärkungsprogramm unterstützt zahlreiche notleidende Witwen und versucht, die Lebensbedingungen der Mädchen und Frauen zu verbessern. Obwohl in den ärmsten Familien häufig alle Kinder aus der Schule genommen werden, damit sie zum Haushaltseinkommen beitragen, müssen Mädchen meist noch früher die Schule abbrechen.
Enge Zusammenarbeit mit lokalen Dienstleistern, um gefährdeten Familien zu helfen
Das SOS-Kinderdorf liegt in einer ländlichen Umgebung etwa 25 km von Varanasi entfernt. Wir arbeiten eng mit den lokalen Behörden und gemeindebasierten Organisationen zusammen, um notleidende Familien zu identifizieren und ihnen bedarfsgerechte Unterstützung für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu bieten.
Unsere Arbeit in Varanasi
Ein zentraler Bestandteil der Arbeit von SOS-Kinderdorf in Varanasi ist die Unterstützung von Kindern und Familien aus der Region. Unsere Sozialzentren bieten im Rahmen des Familienstärkungsprogramms ein umfassendes Angebot an Hilfsmaßnahmen, damit Familien vor der Zerrüttung bewahrt werden und gut für ihre Kinder sorgen können. Darüber hinaus leisten wir Aufklärung über Hygiene und Kinderrechte und fördern den Ausbau der elterlichen Kompetenzen. Familien erhalten Nahrungsmittel, Bildungshilfen und ärztliche Behandlungen. Die Krankenstation im SOS-Kinderdorf leistet den SOS-Familien und der lokalen Bevölkerung ärztlichen Beistand. Zur Einkommensförderung der Eltern bieten wir Berufsbildungskurse, Berufsberatung und Hilfe bei der Suche nach Arbeit sowie Lehrgänge zu modernen Anbaumethoden und Schneiderkurse für ältere Mädchen. Einige Familien erhalten finanzielle Unterstützung, damit sie beispielsweise ein kleines Lebensmittelgeschäft oder eine Fahrradwerkstatt eröffnen können.
Kinder aus der Region, die nicht länger bei ihren Eltern leben können, finden in 18 SOS-Familien ein liebevolles Zuhause. Hier werden sie gemeinsam mit ihren Geschwistern von SOS-Müttern fürsorglich betreut. Kleine Kinder besuchen den SOS-Kindergarten, ältere Kinder werden in der Primär- und Sekundarstufe der SOS-Hermann-Gmeiner-Schule unterrichtet. Hier können sie Freundschaften schließen und zu einem Teil ihrer Gemeinde werden. Im gut ausgestatteten Lernzentrum gibt es eine Bibliothek, ein Musikzimmer und einen Computerraum.
Junge Menschen, die ihren SOS-Familien entwachsen, können in das SOS-Jugendprogramm wechseln und werden von qualifizierten Fachkräften durch diese neue Lebensphase begleitet, in der sie eine Berufsausbildung beginnen, ein Studium aufnehmen oder sich eine Arbeit suchen. Sie werden ermutigt, Zukunftsperspektiven zu entwickeln, lernen Verantwortung zu tragen und zunehmend eigene Entscheidungen zu treffen.