SOS-Kinderdorf Latur
SOS-Kinderdorf ist seit 1963 in Indien tätig. Unsere Angebote wurden bald auf das ganze Land ausgedehnt und 1994 auch in Latur aufgenommen, nachdem ein Jahr zuvor die Region durch ein verheerendes Erdbeben zerstört worden war. Nachdem wir in der lokalen Bevölkerung zuerst Soforthilfe geleistet hatten, konnten wir kurze Zeit später mit der langfristigen Unterstützung notleidender Familien beginnen.
Zahlreiche Kinder wachsen ohne familiäre Fürsorge auf
Latur liegt im Westen von Zentralindien im Bundesstaat Maharashtra etwa 500 km von Mumbai entfernt. Die Wirtschaft der Region basiert überwiegend auf der Industrie und dem Dienstleistungssektor, aber viele Bewohner der ländlichen Gebiete leben nach wie vor vom Anbau und der Verarbeitung von Lebensmitteln, vor allem Sojabohnen und Zuckerrohr. Latur hat geschätzte 2,5 Millionen Einwohner. Offiziellen Angaben zufolge lag das Bevölkerungswachstum zwischen 2001 und 2011 bei 18 Prozent. Zahlreiche Menschen aus ganz Indien kommen auf der Suche nach einem besseren Leben in den Bundesstaat Maharashtra.
Latur kämpft gegen zahlreiche soziale Probleme. Trotz aller Bemühungen zur Verbesserung des Bildungsniveaus liegt die Alphabetisierungsrate nach wie vor bei lediglich 79 Prozent. Die Armutsrate ist sehr hoch, und die HIV/AIDS-Prävalenzrate gehört zu den höchsten in ganz Indien. Schätzungen zufolge sind in der Region etwa 25 000 Kinder mit HIV infiziert. Berichten zufolge werden die Opfer von AIDS gesellschaftlich stigmatisiert und Familien und Kinder, die an der Krankheit leiden, im täglichen Leben häufig diskriminiert.
Die Kinder aus Latur, die sich in unserer Obhut befinden, haben entweder ein oder beide Elternteile durch Krankheiten oder Unfälle verloren oder waren bei Angehörigen untergebracht, die zu alt oder selbst zu arm waren, um ausreichend für sie zu sorgen. Einige der Kinder kommen aus den Slums, in denen die Menschen ohne Basisinfrastruktur, Bildung oder medizinische Versorgung leben müssen. Viele von ihnen leiden an Krankheiten und Mangelernährung.
Von der Soforthilfe zu langfristiger Unterstützung
Im September 1993 wurde Latur durch ein schreckliches Erdbeben erschüttert. Dutzende von Dörfern wurden völlig zerstört, und zahlreiche Kinder verloren ihre Eltern. Innerhalb von Tagen waren MitarbeiterInnen von SOS-Kinderdorf vor Ort und begannen mit der Soforthilfe für so viele notleidende Kinder wie möglich. Anfänglich wurden die Kinder vorübergehend in angemieteten Gebäuden untergebracht. Nur ein Jahr nach der Katastrophe konnte im Norden von Latur ein neues SOS-Kinderdorf eröffnet werden.
Unsere Arbeit in Latur
SOS-Kinderdorf unterstützt in Latur den Kampf gegen die Armut und versucht zu verhindern, dass Kinder von ihren Eltern verlassen werden. Das Familienstärkungsprogramm ermöglicht vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedrohten Kindern das Aufwachsen in einem liebevollen familiären Umfeld. Dafür sichern wir Kindern den Zugang zu Nahrung, Bildung und medizinischer Versorgung und unterstützen Familien, damit sie ihre Kinder besser schützen und betreuen können. Eltern erhalten Beratungen über die Systeme und Leistungen der sozialen Sicherheit.
Wir organisieren Informationsveranstaltungen über Hygiene, Kinderrechte und förderliche Erziehungsmethoden. Alleinerziehende Mütter können an Lehrgängen teilnehmen und werden bei der Einkommensförderung unterstützt. In unserer Kindertagesstätte werden Kinder den Tag über betreut, während ihre Eltern arbeiten oder eine Ausbildung absolvieren. Die Frauen in unseren Programmen können dann beispielsweise ein kleines Sari-Geschäft eröffnen oder eigene Ziegen züchten. Unsere besondere Unterstützung gilt Familien, die an HIV/AIDS erkrankt sind. Dafür leisten wir auch Aufklärungsarbeit in der lokalen Bevölkerung, um die Stigmatisierung von HIV/AIDS zu bekämpfen.
Kinder, die nicht länger bei ihren Eltern leben können, finden in einer der zwölf SOS-Familien ein neues Zuhause, in dem sie gemeinsam mit ihren Geschwistern aufwachsen können. Die Kinder besuchen die nahegelegenen Schulen zusammen mit den Kindern aus Nachbarschaft. Junge Menschen, die ihren SOS-Familien entwachsen, können in die SOS-Jugendeinrichtungen ziehen. Mit der Unterstützung qualifizierter Fachkräfte entwickeln sie Zukunftsperspektiven, lernen Verantwortung zu tragen und zunehmend eigene Entscheidungen zu treffen. Sie werden ermutigt, Teamgeist zu entwickeln, Kontakte zu Freunden und Verwandten aufzubauen und mit den zuständigen Behörden und potenziellen Arbeitgebern umzugehen. Die jungen Menschen aus den SOS-Familien erhalten weiter finanzielle Unterstützung, bis sie auf eigenen Beinen stehen und für sich selbst sorgen können.