SOS-Kinderdorf Bhuj
SOS-Kinderdorf ist seit 1963 in Indien tätig. Unsere Angebote wurden bald auf das ganze Land ausgedehnt und 2001 auch in Bhuj aufgenommen, nachdem die Stadt durch ein verheerendes Erdbeben zerstört worden war. Die Soforthilfe wurde mittlerweile in eine langfristige Unterstützung für die notleidende Bevölkerung umgewandelt.
Die zwei Gesichter der Stadt Bhuj
Bhuj liegt im Nordwesten Indiens im Bundesstaat Gujurat und hat ca. 300 000 Einwohner. Gujurat hat ein starkes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen.
Am 26. Januar 2001, als ganz Indien den Tag der Republik feierte, wurde Gujurat von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. Geschätzte 20 000 Menschen kamen ums Leben. In Bhuj waren besonders viele Opfer zu beklagen, und Schulen, Wohnungen, Krankenhäuser und die Basisinfrastruktur wurden weitgehend zerstört. Im Laufe der letzten zehn Jahre ist die Stadt mit nationaler und internationaler Hilfe wieder aufgebaut worden.
Obwohl einige Sektoren der Wirtschaft von Bhuj im Aufschwung begriffen sind, ist der Wohlstand nicht gerecht verteilt, und zahlreiche Menschen leben in städtischer Armut. Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Arbeiter in der Baubranche und Gelegenheitsarbeiter sind besonders armutsgefährdet. Schätzungen zufolge gibt es Bhuj Dutzende Elendsviertel, in denen die Menschen weder Landrechte noch Zugang zu einer gesicherten Grundversorgung haben. Sie können ohne Vorankündigung oder Entschädigung von ihrem Land vertrieben werden.
Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, sind in hohem Maße vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedroht. Eltern, die mühsam ums Überleben kämpfen, können die materiellen und emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder nur selten erfüllen. Viele Kinder können aufgrund der Armut ihrer Familien keine Schule besuchen und müssen stattdessen arbeiten.
Frauen und Kinder sind besonders benachteiligt. Zahlreiche frauengeführte Haushalte leben in Armut. Mädchen brechen häufig sehr früh die Schule ab und erhalten somit nicht genügend Bildung, um als Erwachsene den Armutszyklus durchbrechen zu können.
Von der Soforthilfe zur langfristigen Unterstützung
Als die Region 2001 von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, leistete SOS-Kinderdorf unmittelbare Soforthilfe. Innerhalb weniger Wochen wurden 25 Kinderhilfszentren eingerichtet, in denen über 2000 Kinder mit Nahrung und Medikamenten versorgt und betreut wurden. Die Kinderhilfszentren wurden sechs Monate lang betrieben, bis sich Familien neu organisieren konnten. Schulen und Krankenhäuser nahmen in provisorischen Zelten wieder den Betrieb auf. Nach sechs Monaten war klar geworden, dass zahlreiche Kinder ein oder beide Elternteile verloren hatten und die Überlebenden nicht ausreichend für ihre Kinder sorgen konnten.
Unsere Arbeit in Bhuj
Ein zentraler Bestandteil der Arbeit von SOS-Kinderdorf in Bhuj ist die Unterstützung von Kindern und Familien aus der Umgebung. In Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und anderen Dienstleistern unterstützen wir Familien und Kinder in Not. Unser Familienstärkungsprogramm bietet ein umfassendes Angebot an Hilfsmaßnahmen, damit Familien vor der Zerrüttung bewahrt werden und für ihre Kinder sorgen können. Wir organisieren Informationsveranstaltungen über Hygiene, Kinderrechte und förderliche Erziehungsmethoden. Notleidende Familien erhalten Nahrung, pädagogischen Beistand und ärztliche Behandlungen. Zur Einkommensförderung der Eltern bieten wir Berufsberatung, Berufsbildungskurse und Hilfe bei der Suche nach Arbeit.
Kinder aus der Region, die nicht länger bei ihren Eltern leben können, finden in einer der 14 SOS-Familien ein liebevolles Zuhause, in dem sie gemeinsam mit ihren Geschwistern aufwachsen können. Die Kinder besuchen den SOS-Kindergarten zusammen mit den Kindern aus der Gemeinde. Das Angebot der Tagesbetreuung wird besonders von berufstätigen Eltern geschätzt - sie wissen ihre Kinder in sicherer Obhut. Ältere Kinder werden in der SOS-Hermann-Gmeiner-Grundschule unterrichtet. Angesichts ihrer hohen Schulabbruchsrate steht besonders die Bildung der Mädchen im Vordergrund. Dafür leiten wir ein eigenes Wohnheim für Mädchen aus der Region, die hier zur Schule gehen.
Junge Menschen, die ihren SOS-Familien entwachsen, können in die SOS-Jugendeinrichtungen ziehen und werden von qualifizierten Fachkräften durch diese neue Lebensphase begleitet, in der sie eine Berufsausbildung beginnen, ein Studium aufnehmen oder sich eine Arbeit suchen. Sie werden ermutigt, eigene Zukunftsperspektiven zu entwickeln, lernen Verantwortung zu tragen und zunehmend eigene Entscheidungen zu treffen.