SOS-Kinderdörfer in Algerien
SOS-Kinderdorf International hat seine Aktivitäten in Algerien bis auf weiteres eingestellt.
Algerien ist als Brücke zwischen Kontinentaleuropa und Afrika bekannt. Trotz der Entdeckung großer Öl- und Gasreserven leben viele Menschen in Algerien in großer Armut. In Algier kämpfen Tausende von Straßenkindern ohne jegliche familiäre Fürsorge ums Überleben. SOS-Kinderdorf setzt sich für den Schutz und die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen des Landes ein.
Einige Fakten über Algerien
Algerien liegt in der Maghreb-Region im Norden Afrikas und grenzt an Libyen, Niger, Mali, Mauretanien und Marokko. Die Wüste Sahara bedeckt mehr als vier Fünftel der Fläche des Landes.
Algerien hat 34 Millionen Einwohner, von denen die meisten an der Nordküste des Landes leben, an der auch die Hauptstadt Algier liegt.
Über eine Million Menschen hatten im Kampf um die Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1962 ihr Leben verloren.
Viele Jahre lang war Algerien durch politische Instabilität geprägt. Nach den allgemeinen Wahlen des Jahres 1992 brach ein verheerender Bürgerkrieg aus, der mehr als 150 000 Todesopfer forderte. In jüngster Zeit waren Terroristen an einer Reihe von Entführungen und Bombardierungen beteiligt.
Obwohl das Land in jüngster Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, lebt der Großteil der Bevölkerung Algeriens weiter in Armut. Die Arbeitslosenquote ist besonders unter dem jüngsten Teil der Bevölkerung sehr hoch.
Die Lage der Menschen
Im heutigen Algerien ist die Armut nach wie vor weit verbreitet. Mehr als 50 Prozent der ländlichen Bevölkerung leben unterhalb der staatlich festgelegten Armutsgrenze, da die Arbeitslosigkeit besonders in den ländlichen Regionen Algeriens sehr hoch ist.
Durch die langen Jahre des internen Konfliktes ist die Armut in Algerien noch größer geworden. Armut bedeutet für Hunderttausende Menschen, die an der untersten Stufe der sozioökonomischen Leiter stehen, den Mangel an menschenwürdigen Behausungen, sanitären Einrichtungen, Bildung und medizinischer Versorgung.
Der schlechte Standard der öffentlichen Versorgung lässt den Unmut der Bevölkerung weiter wachsen. Unter der prekären sozioökonomischen Situation leidet auch die städtische Bevölkerung des Landes, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in den ländlichen Regionen.
Algerien ist als Transit-, Herkunfts- und Bestimmungsland für Zwangsarbeiter und Opfer von Menschenhändlern bekannt. In den meisten Fällen werden Afrikaner aus den Ländern südlich der Sahara von Menschenschmugglern ins Land gebracht, um von dort aus ihre Reise zu den Küsten Europas fortzusetzen. Viele dieser Menschen leben unter unvorstellbar prekären Bedingungen. Mehreren Berichten zufolge wird sich das Phänomen des Menschenhandels weiter ausbreiten, da Europa seine Grenzkontrollen immer weiter verschärft.
Trotz einer Reihe von Verbesserungen in den letzten Jahren ist die Menschenrechtssituation in Algerien weiter in der Kritik. Die Pressefreiheit ist weiterhin eingeschränkt, und die Situation der Frauen in Algerien gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. Der algerische "Familienkodex" wird von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen kritisiert, da die Rechte der Frauen stark eingeschränkt sind. In ländlichen Gebieten ist die Verheiratung von Minderjährigen zwar nicht legal aber dennoch häufig, und Frauen können nicht ohne männlichen Vormund heiraten.
Die Lage der Kinder in Algerien
In Algerien leben ca. 550 000 Waisenkinder, die ein oder beide Elternteile verloren haben. Der Großteil dieser Kinder wächst ohne elterliche Fürsorge und Schutz oder in zerrütteten familiären Strukturen auf. Soziale Ausgrenzung, Armut und der Mangel an familiärer Unterstützung treiben Tausende von Kindern in die Hände krimineller Banden. Waisenkinder sind besonders stark von Ausbeutung jeglicher Art bedroht.
Nach Angaben von Berichten ist der Kindesmissbrauch in Algerien nach wie vor ein weit verbreitetes Problem. Viele Fälle werden nicht gemeldet, und die gegen Kindesmissbrauch verabschiedeten Gesetze haben bislang nur in sehr wenigen Fällen zu einer strafrechtlichen Verfolgung geführt.
Der Schulbesuch ist in Algerien im allgemeinen unentgeltlich, und die offizielle Schulpflicht gilt für alle Kinder bis zu 16 Jahren.
Die hohe Arbeitslosenrate und eine relativ hohe Schulabbrecherquote der Kinder und Jugendlichen in den Sekundärschulen Algeriens zählen zu den Gründen für die hohe Jugendkriminalität. Die meisten Kinder, die Zwangsarbeit verrichten, gehen nicht zur Schule und erhalten daher keine Grundausbildung.
Ein Leben als Straßenkind in Algerien bedeutet ein Leben am Rande des Todes. Gewalt, Hunger und Drogenmissbrauch prägen die tägliche Realität dieser Kinder.
Die Säuglingssterblichkeitsrate wurde im Laufe des letzten Jahrzehnts deutlich gesenkt. Mit 29 aus 1000 Lebendgeburten ist diese Zahl dennoch ca. sieben Mal so hoch wie in Österreich. Sechs Prozent der algerischen Kinder sind bei der Geburt untergewichtig.
SOS-Kinderdorf in Algerien
Auf Beschluss der nationalen Behörden hat SOS-Kinderdorf seine Aktivitäten in Algerien bis auf Weiteres eingestellt.
Nach einem schweren Erdbeben im Oktober 1980 beschloss SOS-Kinderdorf, in Algerien tätig zu werden. Das erste SOS-Kinderdorf wurde 1981 im Zentrum der Landeshauptstadt Algier eröffnet.
Ein SOS-Nothilfeprogramm musste im Mai 2003 nach einem weiteren massiven Erdbeben an der Nordküste des Landes ins Leben gerufen werden. Tausende Häuser wurden durch die Katastrophe zerstört. SOS-Kinderdorf half bei der Versorgung mit Lebensmitteln, Hygieneprodukten, Schlafsäcken und anderen Hilfsgütern, mit denen die Opfer des Erdbebens versorgt werden mussten.
Im Jahr 2005 wurde ein SOS-Familienstärkungsprogramm ins Leben gerufen, um vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedrohten Kindern das Aufwachsen in einer liebevollen familiären Umgebung zu ermöglichen.
Derzeit unterstützt die Organisation Kinder und Jugendliche in Algerien durch Kindertagesstätten und medizinische Zentren. Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder nicht länger bei ihren Familien bleiben können, finden liebevolle Aufnahme in einer familiennahen Umgebung, der SOS-Kinderdorf-Familie.