REGIERUNGSPROGRAMM – 20.12.17

Regierungsprogramm: SOS-Kinderdorf fürchtet Kinderrechtsverletzungen

Geschäftsführer Christian Moser fordert konkrete Verbesserungen für Kinder in Not.

Jedes Kind und jeder Jugendliche hat das Recht auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung – so steht es in der österreichischen Verfassung. „Im vorliegenden Regierungsprogramm fehlt es allerdings an konkreten Maßnahmen, wie diese Chancengleichheit erreicht werden soll – vielmehr ist zu befürchten, dass sich die Situation für bereits gefährdete Kinder und Jugendliche verschärft und ihre Rechte verletzt werden“, sagt Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf.

Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut fehlen
Das betreffe zum einen Kinder und Jugendliche, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen: „Wer Mindestsicherung und  Arbeitslosengeldbezug kürzt, nimmt Kinderarmut in Kauf“, sagt Christian Moser. „Wir fordern konkrete Maßnahmen, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen.“ Als ersten Schritt schlägt Moser dabei die Umsetzung der von ÖVP und FPÖ im Wahlkampf versprochenen Kinderkosten-Erhebung vor: „Die letzten Erhebungen, welchen finanziellen Belastungen Familien ausgesetzt sind, stammen aus den 1960ern, es braucht hier aktuelle, wissenschaftlich fundierte Zahlen, um seriöse Familienpolitik zu machen.“

Separater Unterricht für Flüchtlingskinder kontraproduktiv
Als kontraproduktiv bezeichnet Moser die von Schwarz-Blau geplanten „Brückenklassen“ für geflüchtete Kinder und Jugendliche. „Wie soll ein Kind Deutsch lernen und sich in die Gesellschaft integrieren, wenn ihm der Kontakt zur österreichischen Bevölkerung verwehrt bleibt?“ SOS-Kinderdorf betreut seit Jahrzehnten geflüchtete Kinder und Jugendliche - gemeinsam mit österreichischen. „Der beste Weg, Parallelgesellschaften zu verhindern, ist, den Alltag zu teilen“, so Moser. „Ein paar Stunden Deutsch in der Woche können niemals ersetzen, was der gemeinsame Schulbesuch für die Integration leistet.“

Medienkompetenz fördern
Als „sehr begrüßenswert“ bezeichnet Moser die Ankündigung von Schwarz-Blau, sich in den nächsten Jahren intensiv mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen zu wollen. „Da gibt es vor allem im Bereich Medienkompetenz noch sehr viel zu tun“; sagt Moser, und betont, dass es neben Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor nicht geeigneten Inhalten vor allen um Empowerment gehen müsse: „Wir sollten uns nicht auf Filterprogramme verlassen. Ziel muss vielmehr sein, Kinder und Jugendliche im Hinblick auf einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu stärken.“

18plus-Hilfe endlich umsetzen
Auch das Vorhaben, sich dem Thema „18plus“ – also dem Herausfallen von 18-Jährigen aus der Jugendhilfe – anzunehmen, begrüßt SOS-Kinderdorf: „Wir fordern hier seit vielen Jahren eine Gesetzesänderung: Jeder Jugendliche, der nicht bei seinen Eltern leben kann und nach 18 noch Hilfe braucht, soll bis 21 ein Recht auf Jugendhilfe haben“, so Moser. Eine wie im Regierungsprogramm vorgeschlagene Schnittstelle zwischen Jugend- und Erwachsenenhilfe sei zwar ein Fortschritt, könne aber einen Rechtsanspruch auf Verlängerung nicht ersetzen.

Kinderrechte ernst nehmen
Als enttäuschend bezeichnet Moser den Umstand, dass im 182 Seiten starken Regierungsprogramm kein einziges Mal der Begriff „Kinderrechte“ Erwähnung findet. „Kinder und Jugendliche werden leider vor allem als zukünftige Erwachsene gesehen – oder als Asylwerber. Hier gilt es in den nächsten Jahren ganz besonders drauf zu schauen, dass Kinder und Jugendliche gehört und ihre Rechte ernst genommen werden“, so Moser abschließend.