70 Jahre – 21.02.19

70 Jahre SOS-Kinderdorf

Die Not hat sich verändert. Die Notwendigkeit zu helfen nicht!

Im Rahmen einer Pressekonferenz informierte SOS-Kinderdorf heute in Innsbruck über den Wandel der Organisation, aktuelle Themen und neue Herausforderungen.

Innsbruck/Wien (21.2.2019).- Am 25.4.1949 gründete eine Gruppe engagierter Frauen und Männer rund um den Vorarlberger Medizinstudenten Hermann Gmeiner in Innsbruck die „Societas Socialis“. Mit ihrer für die damalige Zeit revolutionären, sozial innovativen Idee legten sie nicht nur den Grundstein für die Entwicklung von SOS-Kinderdorf, sondern leisteten auch einen wichtigen Impuls für die Kinder- und Jugendfürsorge: Statt von der Gesellschaft unerwünschte Kinder in anonymen Heimen und Erziehungs-anstalten zu verwahren, sollten sie im Schutz und in der Geborgenheit einer Familie aufwachsen!

 

Bittere Not und Armut nach dem Krieg waren Anlass für die Gründung von SOS-Kinderdorf. Und heute, 70 Jahre später? Braucht es da das SOS-Kinderdorf überhaupt noch? JA! Weil es trotz vieler positiver Entwicklungen und einem guten Leben für viele Menschen in einem der reichsten Länder der Welt Not immer noch gibt. Die Ursachen sind heute andere als damals. Nur eines bleibt konstant. Der Bedarf an Hilfe! Das belegen die Erfahrungen von SOS-Kinderdorf und auch die Zahlen der Kinder- und Jugendhilfe. So stieg in den letzten 15 Jahren die Zahl der Fremdunterbringungen (volle Erziehung) von ca. 10.000 auf über 13.000 und die Zahl der Unterstützungen der Erziehung von rund 25.000 auf mehr als 35.000.

 

SOS-Kinderdorf heute: vielfältige neue Angebote und Programme

Der gesellschaftliche Wandel, neue Entwicklungen und gesetzliche Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe sowie wissenschaftliche Erkenntnisse spiegeln sich auch im Programmangebot von SOS-Kinderdorf, das heute viel breiter und vielfältiger ist: „Viele Menschen verbinden SOS-Kinderdorf in erster Linie mit der SOS-Kinderdorf-Mutter und SOS-Kinderdorf-Familie. Dass es heute viele andere Angebote gibt, ist weniger bekannt“, sagt Moser. „Etwa unsere Wohngruppen und Krisenpflegeplätze für Kinder und Jugendliche oder dass wir im Rahmen von Mutter-/Eltern-Kind-Wohnen ganze Familien vorübergehend aufnehmen.

 

Zusätzlich verstärkte mobile und ambulante Hilfen und mehr Prävention!

Ein immer wichtigeres Feld sind mobile und ambulante Unterstützungs- und Begleitangebote im Sinne der Prävention: Hier werden Kinder und ihre Eltern direkt in ihren Familien unterstützt oder erhalten in den Ambulatorien von SOS-Kinderdorf kompetente Beratung und Therapie. Ganz neue Perspektiven eröffnen Kooperationen mit anderen Trägern und Partnern, z.B. das SOS-Krisenteam im Burgenland mit dem Roten Kreuz oder die Zusammenarbeit mit Rainbows für die Betreuung von Kindern bei Verlusterfahrungen durch Tod, Scheidung oder Trennung.

 

Bilanz 2018: Unterstützung und Begleitung für 5.600 Kinder, Jugendliche und Erwachsene:

2018 wurden in Österreich in 14 SOS-Kinderdörfern mit Standorten in allen Bundesländern mehr als 1.800 Kinder /Jugendliche in Familien und Wohngruppen betreut und hatten dort ein stabiles Zuhause. Knapp 1.300 junge Menschen unterstützte SOS-Kinderdorf mobil und durch Begleiten von (Krisen)Pflegefamilien. Rund 2.500 kamen zur Beratung, Diagnostik und Therapie in die Ambulatorien von SOS-Kinderdorf (Wien und Klagenfurt). Nicht zu vergessen: die mehr als 80.000 Telefon- und Chatberatungen und über 1 Million Besucher der Website von Rat auf Draht - die wichtigste anonyme, kostenlose 24 Stunden Hotline für Kinder und Jugendliche in Österreich, die SOS-Kinderdorf als Träger übernommen hat.

 

Kinder und Familien unter Druck

Neben der Ursprungsaufgabe, Kindern ein Zuhause zu geben, steht SOS-Kinderdorf heute vor ganz neuen Herausforderungen. In Österreich leben 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche. Viele in Familien, die immer stärker unter Druck geraten. Dieser Druck und tägliche Herausforderungen rund um Themen wie Erziehung, Vereinbarkeit von Job und Familie, finanzielle Sorgen verursachen oft Folgeprobleme in Schule, Ausbildung, Beruf. Da genügt eine einzige Zusatzbelastung wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, Krankheit oder ein Todesfall in der Familie und die Welt bricht über ihr zusammen. Das führt rasch in die Überforderung. Erziehungsprobleme, Vernachlässigung, Verwahrlosung, Gewalt in der Familie sind die Folge. „Diese belastende Spirale zu durchbrechen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und auch Auftrag für uns als SOS-Kinderdorf“, betont Christian Moser: „Diese Kinder und Jugendlichen zu unterstützen, ihnen und ihren Eltern wieder Halt und Stabilität zu geben als Basis für ein liebevolles Zuhause ist unsere tägliche Aufgabe in Österreich und 135 Ländern der Welt“, sagt Moser. „SOS-Kinderdorf tritt für die gleichen Rechte und Chancen aller Kinder ein. Das ist nicht nur eine Frage der Kinderrechte, sondern der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“

 

SOS-Kinderdorf hat zum Thema „Kinder und Familien unter Druck“ eine Umfrage in Auftrag gegeben, um zu erheben, welche Faktoren junge Menschen und ihre Familien besonders belasten und in Bedrängnis bringen. Die Ergebnisse werden im Mai präsentiert!

 

Als kinderpolitische Kraft die Stimme für Kinder erheben

„Sich für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche einzusetzen, die Stimme für sie zu erheben und ihnen eine Stimme zu geben, liegt tief in den Genen der Organisation“, erklärt Christian Moser mit Blick auf die Anfänge: „Die Pionierinnen und Pioniere von SOS-Kinderdorf ließen sich trotz vieler Skeptiker, Kritiker und Gegner nie entmutigen und verfolgten unbeirrt ihr Ziel und Anliegen. Das erfordert Mut und Ausdauer sowie ein klares Bekenntnis, sich auf die Seite derer zu stellen, die keine starke Lobby haben“, so Moser. „Vieles hat sich in der Gesellschaft und auch bei SOS-Kinderdorf in 70 Jahren verändert, eines sollten wir zeitlos bewahren: Das klare, mutige Eintreten für die Schwächsten der Gesellschaft!“

 

Anlass Dank zu sagen an alle Freunde/innen, Förderer und Partner

„Ein runder Geburtstag ist immer ein guter Anlass Danke zu sagen: an die Kinder- und Jugendhilfe als wichtigen Partner im öffentlichen Bereich. Trotz oft intensiver Diskussionen und Verhandlungen um Konzepte und Budgets gelingt es immer wieder, neue Projekte gemeinsam auf die Beine zu stellen und damit Hilfe für nächste Generationen zu sichern“, sagt Moser. Ein weiterer ganz spezieller Dank gebührt allen privaten Freunden/innen, Förderern und Partnern von SOS-Kinderdorf, die mit ihren Spenden und Beiträgen die SOS-Kinderdorf-Arbeit unterstützen. „Ohne diese starke Basis könnte SOS-Kinderdorf die Arbeit nicht in der Qualität und dem Ausmaß leisten und neue Projekte, wie aktuell den Bau von fünf neuen Wohngruppen für Kinder und Jugendliche in Tirol, nicht realisieren“.

 

SOS-Kinderdorf in Österreich auch strukturell im Wandel:

SOS-Kinderdorf startet das Jubiläumsjahr mit einer neuen Geschäftsführung. 70 Jahre nach seiner Gründung wird SOS-Kinderdorf erstmals kollegial von einem Dreierteam geführt. Mit dem Aufrücken von zwei Frauen an die Spitze erinnert die Organisation an die Bedeutung der Pionierinnen der Gründungsjahre. Nora Deinhammer, Elisabeth Hauser und der bisherige Geschäftsführer Christian Moser übernehmen gemeinsam die Verantwortung für 1.700 Mitarbeiter/innen in Österreich und ein Budget von 120 Mio. Euro. „Ich freue mich sehr über die Neuaufstellung“, sagt Moser, seit 11 Jahren SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer. „Die Bestellung von Nora Deinhammer und Elisabeth Hauser ist Bestätigung für ihre Erfahrung, Kompetenz und ihren Einsatz für SOS-Kinderdorf. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und wünsche unserer Organisation weiterhin viel Hartnäckigkeit im Einsatz für Kinder und Jugendliche in Not.“

 

Rückfragen: Viktor Trager, SOS-Kinderdorf/Pressesprecher, Tel. 0676/88144201, E-Mail: viktor.trager@sos-kinderdorf.at

 

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