Doppelte Weihnachten 

Rituale, Raureif und Raclette 

In den Wohngruppen von SOS-Kinderdorf wird auf Weihnachtsrituale großer Wert gelegt. Gleichzeitig wird versucht, auf die Bedürfnisse und familiäre Situation von jedem einzelnen Kind Rücksicht zu nehmen. Für manche Kinder gibt es dann einfach zweimal Weihnachten.

 

Rituale geben Sicherheit

Leuchtende Stille hat sich breitgemacht, wenn man durchs SOS-Kinderdorf im Burgenland spaziert. Von Raureif überzogen zeigen sich die umliegenden Hügel. Die Häuser wirken heimelig. Überall Weihnachtsschmuck und kleine Lichter. In einem der Häuser wird gebastelt und geplaudert.

„So wie heute machen wir das immer. Rituale geben Sicherheit, Halt, stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und helfen uns bei der Orientierung. Speziell bei emotionalen Anlässen die intensiv mit Gefühlen der Geborgenheit, Vorfreude und Freude verbunden sind, wie Weihnachten, sind Rituale sehr wichtig“, erzählt Petra Katzenschläger, die drei Wohngruppen im SOS-Kinderdorf Burgenland leitet.

Es duftet nach Zimt, Kleber, Vanille, Tannengrün. Friedliches Getümmel herrscht rund um den Küchentisch. Auf einem riesigen Sitzsack hockt ein kleiner Lockenschopf, der gerade Raureif googelt.

„Raureif ist ein fester Niederschlag, der sich aus unterkühlten Wassertropfen von leichtem Nebel oder direkt aus dem in der Luft enthaltenen Wasserdampf …“

„Gar nicht!“ kommt es aus dem andern Eck. „Das sind gefrorene Engelsfedern, die die Engel verlieren, wenn sie in der Weihnachtszeit über uns drüber fliegen. Und die frieren dann zu kleinen Kristallen.“

Auf Zehenspitzen zum Christkind

Seit sieben Jahren feiert die 11-jährige Leonie (Name geändert) Weihnachten im SOS-Kinderdorf. „Weihnachten bei uns im Haus ist immer schön. Ich bin immer ganz nervös und aufgeregt.“ Tagsüber sind die Kinder meistens nicht im Haus, da die Betreuer*innen den Baum schmücken. „Mittlerweile bin ich aber alt genug, dass ich helfen kann.“

Gemeinsam gehen dann am Nachmittag alle in die Kindermesse. Danach wird dann immer gemeinsam gegessen. Und zwar das, was den Kindern allen schmeckt, gesellig ist und ein bisschen wie kochen ist: Raclette.

„Und dann wird´s spannend. Dann hören wir ein Glöckchen läuten und wissen, dass Christkind war da. Wir gehen dann immer ganz langsam, auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer, wo der Baum strahlt und drunter ganz viele Geschenke liegen. Aber die dürfen erst geöffnet werden, nachdem wir gemeinsam Weihnachtslieder gesungen haben.“

Weihnachten bei Papa

In diesem Jahr allerdings, läuft die Weihnachtszeit für die 11-jährige Leonie ein bisschen anders wie gewohnt. Denn heuer wird Leonie das erste Mal seit sieben Jahren Weihnachten bei ihrem Papa sein. „Ich bin noch ein bisschen hin und hergerissen. Grundsätzlich freue ich mich, aber ich bin auch traurig, da ich die Traditionen im Dorf kenne.“

Für die Betreuer*innen gab es da gleich eine Lösung, damit Leonie sowohl im Kinderdorf aber auch beim Papa sein kann. Weihnachten in der Wohngruppe wird ein Tag vorverlegt. „Wir feiern jetzt alle am 23.12. gemeinsam, so wie jedes Jahr. Extra für mich, das finde ich so toll. Wie Weihnachten mit meiner Familie sein wird weiß ich noch nicht. Mein Papa hat mir zwar viel erzählt, aber vorstellen kann ich es mir nicht. Das tolle ist aber, dass meine Oma, meine Tante und meine Cousinen mit mir feiern. Trotzdem werde ich Weihnachten im Kinderdorf vermissen.“

 

Lösungen durch Teamarbeit

Alles unter einen Hut, oder besser, unter einen Weihnachtsbaum zu bringen, ist nicht immer leicht, so Petra Katzenschläger. „Unsere Kinder im SOS-Kinderdorf kommen mit vielen verschieden schweren Rücksäcken, Wünschen, Erwartungen und familiären Hintergründen. Da braucht es viel Herz und Fingerspitzengefühl, viel personelles Engagement und viel Beweglichkeit“. Aber in so krisendurchrüttelten Zeiten wie diesen, ist genau das, umso wichtiger, erzählt Petra Katzenschläger. „Mein Team ist immer lösungsorientiert. Ich freu mich, auch an diesem Jahresende, noch immer auf ein so motiviertes, beherztes Team blicken zu dürfen, welches täglich dieser verantwortungsvollen Aufgabe mit positiver Energie begegnet. Eine Aufgabe, wo auch so viel Gutes zurückkommt.“

Über die Hälfte der Kinder im SOS-Kinderdorf Burgenland dürfen dieses Jahr in der Weihnachtszeit bei ihren Eltern oder Verwandten sein. „Die allermeisten Kinder haben ja Eltern, Mama oder Papa. Und wir arbeiten auch engmaschig mit den Eltern, bieten ihnen Unterstützung. Und wenn es ihnen mit unserer Hilfe gelingt, ein Stück weit mit ihren Kindern Zeit zu verbringen, dann hat sich jeder Einsatz gelohnt. Dann ist Weihnachten!“

SOS-Kinderdorf wünscht allen frohe Weihnachtsfeiertage und ein gutes neues Jahr!

 

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