Das Magazin von SOS-Kinderdorf

„Money, Money, Money“

Nicht nur ABBA, sondern auch die Kinder der Wohngruppe im SOS-Kinderdorf Imst können ein Lied vom „lieben Geld“ singen. Taschengeld und Haushaltsbudget geben schon der kleinsten Mitbewohnerin einige Denkaufgaben. Denn wie in jedem Haushalt mit Kindern machen sich auch die Wohngruppen Gedanken über den Umgang mit Geld. Dabei erweist sich die Teuerungswelle als gute, aber harte „Lehrmeisterin“.

Reportage: Thomas Parth, Fotos: Gerhard Berger
 

 

In der Imster Wohngruppe nehmen sich gleich vier Damen Zeit: Lara* ist 14 Jahre. Sie bewirtet gleich die Gäste und kocht Kaffee. Die neunjährige Susanne* hat ihr knallgelbes Spar­schwein mitgebracht, und auch Astrid Schranz, Bezugsbetreuerin und päda­gogische Leiterin, hat sich vorbereitet. Später stößt Julia* dazu, die wochen­tags im Internat der Landwirtschafts­schule in Imst wohnt.

Florian Albert
Wofür Geld ausgegeben wird – z.B.: Ausflüge, Reisen und Urlaube –, wird in der Wohngruppe demokratisch entschieden.

„Alle Kinder bekommen Taschen­geld. Die Höhe ist vom Alter abhängig“, klärt Schranz auf. Ein wichtiges Ziel des Betreuer*innenteams ist es, den Kindern die Grundlagen des Wirtschaf­tens und einen sorgsamen Umgang mit Geld beizubringen. „Am Monatsanfang erhält das Haus sein Wirtschaftsgeld. Und am liebsten würden die Kinder vor dem Betreuerzimmer Schlange stehen“, lacht die Pädagogin. Die anwe­senden Kids bestätigen: „Das Taschen­geld hat einen hohen Stellenwert.“ Während die beiden älteren Mädchen seit ihrem 14. Geburtstag 45 Euro Taschengeld auf ihr eigenes Konto überwiesen bekommen, gibt’s für die Jüngste „10 Euro Cash“. Die Höhe des Taschengeldes ist klar geregelt und für alle Kinder ersichtlich.

Julia ist jetzt auch zur Runde dazugestoßen. Julia, Lara und alle anderen Kinder ab 14 tragen selbst die Verantwortung für ihr Girokonto. Dazu gehört ein Bank-Termin, bei dem sie über die Vor- und Nachteile einer Ban­komatkarte plus App fürs Handy und die Funktionen des Kontos informiert werden und gezeigt wird, wie man den Überblick über Einnahmen und Ausgaben behält. „Die Kinder treffen eigenständige Kaufentscheidungen. Wir animieren sie dazu, ihr Geld für besondere Anschaffungen zu sparen. Wir wollen, dass sie selbstständig und gut ins Leben starten. Da gehört das Wissen ums Geld dazu“, so die Bezugsbetreuerin.

Die Kinder der Wohngruppe Imst werden zwar zum Sparen animiert, über ihr Taschengeld können sie aber frei verfügen.  

Und was war das Coolste, das mit dem eigenen Taschengeld gekauft wur­de? Eine pinke Mütze, eine Alexa und Lautsprecherboxen, Letzteres war die bisher teuerste Investition. Wofür prin­zipiell am meisten ausgegeben wird, darüber ist man sich uneinig. „Für Ge­burtstagsgeschenke“, meint Susanne. Damit ist sie nicht allein. Auch Lara musste lernen, nicht ihr ganzes Geld für andere auszugeben. „Sonst bleibt ja für mich nichts übrig“, weiß sie heute. Die Runde ist sich auch darüber einig, dass Arbeiten für die Gemeinschaft ohne Bezahlung erfolgen sollen. Inso­fern gibt es keine Zuverdienst-Möglich­keiten durch Hilfe bei der Hausarbeit. Wird also freiwillig geputzt? Susanne: „Na ja, ganz freiwillig vielleicht nicht, aber zumindest ohne Bezahlung.“

Damit der Zusammenhalt in der Wohngruppe funktioniert, sprechen die Betreuer*innen offen und trans­parent über Kosten. „Jeden Monat legen wir unsere finanzielle Situation offen“, bestätigt Astrid Schranz: „Die Kinder sollen wissen, wofür wie viel ausgegeben wurde. Uns ist es wichtig, den Bezug zur Realität herzustel­len.“ Dadurch fällt auch auf, dass die Lebensmittelpreise stark angestiegen sind. Noch vor vier, fünf Monaten la­gen die Kosten bei 900 Euro. Jetzt sind es monatlich bis zu 1.300 Euro. „Wir sprechen offen an, wenn’s knapp in der Kassa wird. Auch fragen wir direkt in die Runde, wo wir Einsparungen treffen könnten.“

Beispielsweise mit dem eigenen Garten: Dort stehen drei Hochbee­te, die von der Hausgemeinschaft bepflanzt werden. Salate, Gemüse, Gewürze und – im Herbst – Kürbisse sind der Renner. „Und wenn durch die eigene Rezeptliste, den Wochenspeise­plan und das gemeinsame Kochen die Gemeinschaft gestärkt und obendrein Geld gespart werden kann, dann ist alles perfekt.“

Der eigene Garten der Hausgemeinschaft hilft ebenfalls beim Geldsparen. 

Um Sparziele zu erreichen, hat die Hausgemeinschaft zudem einen „Trick“ auf Lager: die Taschengeldbox. Im Betreuerzimmer befindet sich ein verschließbarer Schrank, quasi die „Hausbank“. Die Betreuerin nimmt Er­spartes der Kinder entgegen und ver­wahrt es für sie. So ist das Geld doppelt sicher: vor Fremden und vor einem selbst. Julia hat sich das Taschengeld für den nächsten Monat genau einge­teilt. Von ihren 45 Euro werden gleich 25 Euro für ihr großes Sparziel, den Mopedführerschein, abgeschöpft. Die restlichen 20 Euro will sie am Banko­mat beheben und während des Monats verbrauchen.

Allmonatlich wird ein Hausparla­ment abgehalten. Neben der offen­gelegten Monatsbilanz diskutiert die Gemeinschaft verschiedene Probleme und die Kinder tragen ihre Wünsche vor. Größere Anschaffungen oder Ausflüge, Reisen und Urlaube werden demokratisch entschieden. „Im Som­mer haben wir Netflix ausprobiert. Wir sind mit Gutscheinkarten gestartet. Dann hat sich gezeigt, dass ein Abo für alle das beste Preis-Leistungs-Verhält­nis aufweist“, zeigt Schranz beispiel­haft auf. „Anschaffungen wie etwa der Wunsch nach einer eigenen Rodel werden den Betreuer*innen zugetra­gen. Die Teamsitzung berät dann die Möglichkeit eines Kaufs. Je nach Höhe einer außertourlichen Ausgabe kann es auch sein, dass das Kind einen Teil seiner Ersparnisse dazu beisteuert und wir den Rest. So tragen beide Seiten etwas bei.“

Ebenfalls ein Fall fürs Hausparla­ment: die Freizeitplanung. „Welche Ausflüge wollen wir machen? Wie viel kosten diese? Und wie lange müssen wir dafür sparen?“, gewährt die Pädagogin Einblick. Gleich mehrere „Hausurlaube“ konnten so 2022 ge­macht werden. Diese sind heuer als Zelturlaube recht kostengünstig aus­gefallen. „Einer unserer Jungs hat sich aber zum Beispiel Paris in den Kopf gesetzt“, erzählt Schranz: „Wir nehmen solche Wünsche ernst und überlegen gemeinsam, wie so eine Reise zu finan­zieren ist. Was kann der Jugendliche selbst beitragen, was wir?“

Wenn es um Ausbildungen, Nach­hilfe oder Therapien geht, kann auf ein eigenes Budget zugegriffen werden. „Speziell was Gesundheit und Bildung betrifft, darf kein Kind zu kurz kom­men“, unterstreicht Schranz. Susanne, Julia und Lara sind mit der Höhe ihres Taschengeldes zufrieden. Es wird von allen Kids als „locker ausreichend“ bezeichnet. Julia will allerdings rasch mit der Schule fertig werden, um bald selbst ihr eigenes Geld verdienen zu können. Denn nach dem Mopedfüh­rerschein wäre dann noch ein Moped fällig.

Thomas Parth ist Journalist bei der „Tiroler Tageszeitung“ und dort in der Lokalredaktion in Imst tätig.

Wie geht man in Wohngruppen von SOS-Kinderdorf mit Geld um?

Jedes Kind und jede*r Jugendliche hat unter­schiedliche Bedürfnisse, deshalb wird bei SOS-Kin­derdorf viel Wert auf eine individuelle Betreuung gelegt. So gibt es etwa Wohngruppen speziell für Jugendliche und Krisenplätze für kurzfris­tige Betreuung, WGs für geflüchtete Kinder und Jugendliche und WGs mit therapeutischem Schwer­punkt. Im Gegensatz zu Wohngruppen, wo rund 6–9 Kinder und Jugend­liche zusammenleben, wachsen in SOS-Kinder­dorf-Familien meist 4 bis 5 Kinder gemeinsam auf. Je nach Betreuungsform unterscheidet sich auch der Umgang mit Geld. Jede Wohngruppe hat abhängig von der Größe ein eigenes Haushalts­budget und regelt ihre Ausgaben selbst.

In Wohngruppen, wie im SOS-Kinderdorf in Imst, werden Kinder und Jugendliche rund um die Uhr von ausgebil­deten Pädagog*innen betreut. Diese bekom­men Anfang des Monats ein Wirtschaftsgeld. Mit diesem variierenden Budget werden Ausgaben des täglichen Lebens – Lebensmittel, Ausflüge, Hygieneartikel, Schul­materialien, Taschengeld – abgedeckt. In einer Team-Sitzung besprechen die Pädagog*innen, was an Anschaffungen gebraucht wird. Im September liegt der Fokus auf Schulmittel, im Herbst wird mehr Geld für Kleidung einberech­net. In regelmäßigen Sitzungen des Haus­parlaments werden mit den Kindern alle Ausgaben besprochen und sie können Wünsche einbringen. Außerdem wird Bewusstsein bei den Kindern geschaffen, wie hoch die Ausgaben der Wohngruppe – z. B. für Strom – sind.

Jugendliche ab 16 Jahre haben die Möglichkeit, in einer eigenen Wohnung das eigenständige Leben zu trainieren. Dabei werden sie von Päda­gog*innen, die mehrmals pro Woche vorbeikom­men, begleitet. In dieser Übergangsphase zum Erwachsenwerden sollen sie einen selbstständigen und verantwortungs­bewussten Umgang mit Geld erlernen. Sie erhalten jeden Monat ein Budget, um ihre Lebenserhaltungskosten selbst abzudecken. Um Jugendliche, die noch nicht so gut mit Geld umgehen können, zu unterstützen, kann das Geld auch in Anteilen ausbezahlt werden.

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