Tränenüberströmt stand sie da, hielt mir mein Buch "Funkstille" hin, wollte eine Signierung, konnte aber nichts sagen. So als würde sie sich auflösen, wenn sie die Worte loslassen würde, die sie so lange in sich gefangen gehalten hatte.
Andere wiederum berichten bereitwillig von der Funkstille, dem plötzlichen Kontaktabbruch ohne Erklärung, von dem Sich-nicht-gehört-fühlen. Sie sind "Abbrecher". Die Frau, die tränenüberströmt vor mir stand, war so eine Abbrecherin. Ich gab ihr meine Telefonnummer, erfuhr nach und nach ihre Geschichte und verstand einmal mehr, dass der Abbruch nicht völlig unerklärlich und auch nicht aus heiterem Himmel passiert.
Anja (40), die Frau bei der Lesung, hatte den Abbruch zu ihrer Mutter von langer Hand geplant. Ihre Mutter nahm nicht wahr, dass die Tochter sich immer mehr von ihr entfernte, bis Anja nicht mehr nach Hause kam. Fünf Jahre Funkstille – und immer noch sucht die Mutter nach dem einen Auslöser, den es nicht gibt.