1. Mai – 29.04.21

Tag der Arbeit

LEHR `HER bietet Hoffnung, SOS-Kinderdorf fordert Perspektivenjahr

SOS-Kinderdorf fordert zum 1. Mai ein "Perspektivenjahr" für Jugendliche, um Jugendarbeitslosigkeit und prekären Berufsbiographien mit kreativen Lösungen entgegenzuwirken. Erste Lösungsansätze werden bereits in Graz, mittlerweile in ganz Steiermark erfolgreich praktiziert. Lehr´her - ein Projekt von SOS-Kinderdorf, Brückenschlag und Angebot für Jugendliche und Arbeitsgeber.

"Wir bieten seit jeher Unterstützung für bei uns wohnende Jugendliche, den richtigen Job oder die passende Ausbildung zu finden. Seit einiger Zeit begleitet Lehr´her auch Jugendliche außerhalb von SOS-Kinderdorf auf ihrem Weg zum Traumberuf." Und dass, trotz Pandemieklotz, mit Erfolg: "Die vergangenen Monate haben uns bestätigt, dass es trotz widriger Umstände vielfach möglich ist, gemeinsam mit den Jugendlichen Wege zu erschließen, Chancen für einen Berufseinstieg zu nutzen" meint Alfred Groß, SOS-Kinderdorfleiter Graz.
 

Von der Leere in die Lehre

Lehr ´Her richtet sich sowohl an Jugendliche als auch an Firmen. Von der Berufsorientierung bis zur Stabilisierung im Job, flexibel, passgenau, begleitend und ist mehr gefragt denn je. Vielen Lehrplatz- und Jobsuchenden hat die ganze Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, entmutigt und ermüdet. "Dabei liegen oft nur ein paar wenige Schritte, zwischen dieser entmutigenden Leere und einer klaren Perspektive. Nur muss man diese Schritte auch gehen, bzw. wissen und erkennen, woran es liegt, oder welche Richtung man einschlagen kann, sollte. Und oft ist es auch einfach der Halt, den die Jugendlichen in so einer Situation brauchen", so Groß.

Für Caroline S., 16 Jahre, war es wichtig, jemanden zu haben der ihr gut zuredet, unterstützt: "Die Zeit des „eingesperrt seins“, die geballte Ladung Familie, keinen Rückzug zu haben, sich nicht mit den Freunden treffen können und die Schwierigkeit eine Lehrstelle zu finden, war wirklich hart. Da war es echt super, dass ich jemand hatte, den ich jederzeit kontaktieren konnte, wenn ich Probleme hatte."

Auch Mario M., 15 Jahre, konnte durch Lehr ´Her im Lockdown aufgefangen werden und ist heute „stolzer Besitzer“ einer Lehrstelle zum Elektrotechniker, berichtet Groß: "Mario besuchte die NMS mit guten Noten und klaren Berufsvorstellungen. Dann kam der Lockdown. Alles online. Alles dicht. Nicht alle Jugendliche sind dafür ausgerüstet, da weder PC noch Laptop daheim vorhanden sind. So war es auch bei Mario. Wir haben dann gemeinsam alles auf seinem Smartphone eingerichtet. Somit konnte er hinsichtlich Lehrstellen recherchieren und Bewerbungsunterlagen verschicken. Kurzzeitig verließ ihn jedoch die Zuversicht eine Lehrstelle zu finden. Keine Rückmeldungen der Firmen, das komplette Wegbrechen sozialer Kontakte. Wir haben Mario immer wieder ermutigt weiterzumachen. Schließlich kam die Chance auf ein Praktikum als Elektrotechniker. Er bekam ein tolles Feedback hinsichtlich seiner Arbeitsmoral, Teamfähigkeit, Auffassungsgabe und vor allem: eine Lehrstelle!"

Der Dank kam neulich per Mail ans Lehr `Her Team: "Vielen Dank, dass Sie mich in dieser blöden Zeit des „Lockdowns“ unterstützt und an mich geglaubt haben". Ein weiterer Jugendlicher steckt jetzt zufrieden mitten in der Ausbildung zur Altenpflege, ein anderes junges Mädel steht endlich hinterm Tresen ihrer Traumapotheke. Nicht alle haben das Glück wie Mario, Caroline und die anderen Jugendlichen.
 

Der lineare Ausbildungsweg ist längst überholt

Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf: "Es ist eine enorm belastende Zeit für Jugendliche. 74 % gaben in einer aktuellen Befragung der Universität Salzburg an, es gehe ihnen schlechter als vor der Krise. Derzeit sind knapp 9 % der unter 25-Jährigen arbeitslos. Für junge Menschen ist das besonders belastend – es fehlt an Perspektiven und braucht dringend Antworten".

Der lineare Weg von Schule, Ausbildung, Beruf und Pension ist längst überholt. Der Jugend von heute stehen zwar viele Möglichkeiten offen, doch die wenigsten davon garantieren einen sicheren Job, von dessen Einkommen man leben kann. Die Wahl von Ausbildung und Beruf ist deshalb besonders schwierig. "Junge Menschen müssen viele große Entscheidungen treffen, die ihr späteres Leben wesentlich prägen. In unsicheren Zeiten, wo nichts planbar ist, wird das zur noch größeren Herausforderung. Vieles, was dabei helfen könnte, fällt derzeit aus – etwa Schnupperpraktika, persönliche Gespräche, Orientierungstage", so Moser. Um dem Druck entgegen zu wirken, schlägt SOS-Kinderdorf die Einführung eines Perspektivenjahres vor.

Es soll 18- bis 21-Jährigen frei von existentiellen Sorgen ermöglichen, wohlüberlegt Perspektiven zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln. Eine solche Zeit stärkt junge Menschen und erleichtert es nach über einem Jahr außergewöhnlicher Belastung trotzdem langfristig gute Berufs-, Studien-, aber auch Lebensentscheidungen zu treffen. Dazu bekommen sie bis zu zwölf Monate ein Karenzgeld für den Lebensunterhalt.
 

Perspektiven lohnen sich

"Das Perspektivenjahr ist ein Win-Win-Projekt für junge Menschen und die öffentliche Hand. Eine falsche Ausbildungs- oder Studienwahl, die zu einem Wechsel oder Abbruch des Bildungsweges führt, kostet den Staat viel Geld. Dieses Geld wäre besser in ein Perspektivenjahr investiert, das jungen Menschen einen gesunden Rahmen für eine gute Entscheidungsphase gibt. Damit würden auch die Kosten für Mindestsicherung oder Arbeitslosengeld gesenkt", erklärt Moser.

"Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, besonders bei den Jugendlichen, die nicht mehr in die Ausbildungsgarantie bis 18 fallen. Das Perspektivenjahr ist die innovative Antwort darauf. Nach der Lehre wollen viele junge Menschen nicht in dem Betrieb oder dem erlernten Beruf bleiben. Sich neu zu orientieren ist aber finanziell schwierig. MaturantInnen können nach ihrem Abschluss die unzähligen Möglichkeiten kaum überblicken und beginnen Studien oft aus Mangel an Perspektiven. In diesen Übergangs- und Orientierungsphasen kann das bezahlte Perspektivenjahr jungen Menschen helfen, ihre Stärken und Interessen zu entdecken und tragfähige Entscheidungen für eine stabile Zukunft zu treffen", so Moser.

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