Weltmädchentag

Austausch mit einer SOS-Kinderdorf Mädchen WG

W-LAN, Pizza und Handy - Einblicke in den Alltag einer Grazer Mädchen Wohngruppe. 

Am 11. Oktober wird neben vielen österreichweit städtischen Wahrzeichen auch der Grazer Uhrturm in pink leuchten. Der Grund dafür? Der Internationale Mädchentag, auch Welt-Mädchentag genannt, ein von den Vereinten Nationen initiierter Aktionstag. Er verfolgt das Ziel, auf die schwierige Situation von Mädchen in vielen Ländern der Welt aufmerksam zu machen.  

Auch in Österreich kämpfen viele Mädchen mit schweren Lebenslagen und brutalen Einschnitten in ihrer Kindheit. SOS-Kinderdorf ermöglicht diesen jungen Menschen ein vorübergehendes liebevolles Zuhause und betreut derzeit in Österreich 555 Mädchen in den Betreuungseinrichtungen, allein in der Steiermark 119 Mädchen. Was wir diesen Mädchen anbieten können ist eine feste Tagesstruktur und ein stabiles Umfeld in familiärer Atmosphäre.

Ein Sozialpädagoge und eine pädagogosche Leiterin haben uns von ihrem Alltag mit den Mädchen erzählt. 

 

Nötiger Halt für Mädchen

Ulrike Morianz, selbst zweifache Mädchenmama, ist Pädagogische Leiterin einer Mädchen WG vom SOS-Kinderdorf in Graz. Sie hat schon viele Mädchen kommen und gehen sehen. 298 Mädchen waren es im Laufe ihrer Arbeit für SOS-Kinderdorf.

"Einige Mädchen, die zu uns kommen, haben Dinge erlebt, die ein Mädchen in seiner Kindheit, Jugend, eigentlich nie erleben sollte. Schwerer Missbrauch, Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Drogenkonsum. Oft ist es auch einfach ein psychisch labiles Elternhaus, welches einem Kind nicht den nötigen Halt bieten kann.

Viele dieser jungen Mädchen plagt neben ihrer schwierigen Vergangenheit auch eine gewisse Zukunftsleere.  Die coronabedingten Schwankungen sorgen für massive Unsicherheiten und machen die Chance auf eine gute Perspektive nicht leichter. Wir müssen aufpassen, dass unsere Mädels nicht in eine soziale Einöde driften. Die Absagenflut gewohnter Freizeitaktivitäten und im Ausbildungsbereich, Ängste um die eigene Familie, da halten sich die rosigen Aussichten derzeit ziemlich in Grenzen."

 

Mädchen für alles

Für Lichtblicke und gelingenden Alltag in der Mädchen WG sorgt Johannes Schantl, sozusagen Mädchen für alles.  Johannes Schantl, einziger männlicher Sozialpädagoge in der Mädchen WG von SOS-Kinderdorf in Graz, ermutigt die Mädels zum Kickboxen, trainiert mit ihnen gemeinsam, kocht mit ihnen Eierspeise zum Frühstück, putzt und kümmert sich um die Katzen und sämtliche Belange.

"Die Mädels gehen gern mit mir shoppen, fragen mich nach Rat in Sachen Liebeskummer und ich musste auch schon Händchen halten, beim Arzt. Allerdings sagen auch sie mir gerne, welche Schuhe ich am besten tragen soll. Die hier zum Beispiel, die ich heut anhabe...

Manchmal ist der Zorn und die Wut auf die ganze Welt so groß, da bekommen wir Betreuer natürlich auch einiges ab. Wir sind auch schon einfach mal gemeinsam Auto gefahren und haben einfach laut Musik gehört.“  

Was brauchen die Mädels vor allem? "W-LAN, Pizza und Handy" lacht Johannes. "Nein, ganz im Ernst, jemanden zum Zuhören. Oder einfach nur jemanden, der für sie da ist. Ein sicheres Umfeld, stabile Beziehungen. Beziehungsabbrüche haben sie schon genug hinter sich."

Als Erfolg zählt es in der WG, wenn es guten Kontakt zu Mama oder Papa gibt, falls die Vorgeschichte es zulässt. Oder auch eine gelungene Schulwoche, ein unterschriebener Lehrvertrag. Eine Woche, ohne schwere Vorkommnisse, Notarzt und Polizei.

 

Ein liebevolles Umfeld für alle Mädchen


Wir müssen dafür sorgen, dass jedes Mädchen in einem friedlichen, liebevollen Umfeld großwerden kann, um später mal ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Wir brauchen eine offene und flexible Gesellschaft, die sich anhört was die vielen tollen jungen Menschen zu sagen haben. Wir sollten viel öfter den Meinungen der jungen Mädchen von heute Gehör schenken!

Heidi Fuchs
Geschäftsleiterin SOS-Kinderdorf

Es ist 2021 und wir reden noch immer darüber, dass Mädchen mehr Platz und mehr Schutz im öffentlichen Raum brauchen. Mädchen brauchen Zufluchtsorte wenn das Zuhause kein sicherer Ort für sie ist. Sie und überhaupt junge Menschen brauchen altersgerechten Schutz in digitalen Räumen und Ansprechpersonen, die sich für ihre Lebensrealitäten ehrlich interessieren.