Lebenswege

"Die Alltagsmomente machen meinen Job besonders"

Viel Reflexionsvermögen, viel Liebe und viel Verständnis – das sollten Menschen mitbringen, die in der Betreuung von Kindern im SOS-Kinderdorf arbeiten wollen, meint die Sozialpädagogin Katharina Führer. Wir haben mit ihr über ihren Alltag in der WG, das Arbeiten im Team und die Herausforderungen ihres Jobs gesprochen. 

Katharina Führer arbeitet seit dreieinhalb Jahren als Sozialpädagogin in einer Wohngruppe von SOS-Kinderdorf in Wien, Floridsdorf. „Manche Menschen glauben, meine Arbeit hier bestehe aus UNO und Mensch-ärgere-dich-nicht spielen“, lacht die junge Frau bei unserem Besuch in der WG Kammelweg. „Natürlich gehört das Spielen mit den Kindern dazu, aber zu unserer Arbeit gehört so viel mehr“, erzählt Kathi. „Viele Kinder, die bei uns aufwachsen, haben in ihrem bisherigen Leben zu wenig Liebe und Wärme bekommen. Ich sehe es als meine Aufgabe, sie ein Stück ihres Lebens zu begleiten und zwar so, dass sie dann in ein gutes Leben starten können“.

Das gemeinsame Spiel ist ein wichtiger Bestandteil der vielfältigen Arbeit der Pädagog*innen. 

Intensive Beziehungen erleben

In der WG in Floridsdorf betreut Kathi gemeinsam mit 6 weiteren Pädagog*innen im Dienstrad neun Kinder im Alter von 5-15 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen, nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Die Pädagog*innen sind 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag für die Kinder und Jugendlichen da. „Bevor ich hier zu arbeiten begonnen hab, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, wie intensiv die Beziehungen zu den Kindern sein werden. Heute verstehen wir uns oft ohne Worte und das ist ein sehr schönes Gefühl“, sagt Kathi.

Teamarbeit und klare Strukturen

Dabei war es für Kathi nicht immer klar, dass sie in diesem Beruf landen würde. „Ich wusste immer, das ich mit Menschen arbeiten will. Zuerst zog es mich zur Psychologie, doch nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einer WG, wusste ich: das ist es, was ich machen will.“ Kathi begann ein Studium der Bildungswissenschaften an der Uni Wien und konnte bereits während des Studiums erste Arbeitserfahrung bei SOS-Kinderdorf sammeln. Bis heute arbeitet sie sehr gerne hier, vor allem, weil der Zusammenhalt im Team so gut funktioniert. „Natürlich gab es auch schwierige Arbeitstage, etwa wenn die Gruppendynamik unter den Kindern nicht passt. Dann kann es auch mal zu Gewalt und Impulsdurchbrüchen bei den Kindern oder Jugendlichen kommen. Zum Glück hatte ich immer das Gefühl, dass ich mich auf das Team vollkommen verlassen kann. Man ist nicht allein mit solchen Situationen. Schlussendlich, haben uns schwierige Phasen als Team noch näher zusammengebracht“, sagt Kathi.

Neben dem Team ist ein gut strukturierter Tagesablauf sehr wichtig für das Funktionieren einer WG. „Klare Abläufe sind sehr wichtig für die Kinder und Jugendlichen und natürlich machen sie uns allen das Leben leichter“, erzählt Kathi. „Fixpunkte in unserem WG-Alltag sind etwa gemeinsames Essen und Ruhephasen, aber auch das gemeinsame Besprechen vom Tag und Abendrituale. Daneben bleibt aber auch Zeit für Einzelbetreuung und besondere Ausflüge oder Freizeitaktivitäten. Natürlich müssen auch Termine, wie Besuche bei der Ärztin koordiniert werden. Zu unserer Arbeit gehört also auch viel Organisationstalent.“

Katharina Führer im Gespräch mit einer Jugendlichen aus der WG Kammelweg.

Ein Stück des Weges begleiten

Obwohl die Beziehungen zu den Kindern sehr eng uns intensiv sind, gehört auch eine gewisse Distanz zum Berufsbild der Betreuer*innen. „Ich kann den Kindern keine Mama ersetzen, das wissen sie auch“, sagt Kathi. „Wir versuchen die Kinder einfach bestmöglich mit all ihren Stärken und Schwächen zu unterstützen und zu fördern.“ Dass man die Geschichten der Kinder nicht nach Hause ins eigene Privatleben mitnimmt, ist dabei sehr wichtig und will erst gelernt werden. Die Psychohygiene im Team, aber auch Supervisionsangebote helfen dabei.

"Wir versuchen die Kinder bestmöglich zu unterstützen, damit sie in ein gutes Leben starten können."

„Neben viel Liebe und Verständnis ist das eigene Reflexionsvermögen ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit“, ist sich Kathi sicher. Belohnt wird man dafür mit vielen Momenten der Nähe gemeinsam mit den Kindern. „Wenn mich die Kleinen freudig begrüßen, wenn ich sie vom Kindergarten abhole, oder wenn mir ein Mädchen beim zu Bett bringen sagt, dass sie mich liebhat, dann weiß ich, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe. Dazu braucht es keine besonderen Geschichten. Die Alltagsmomente machen meinen Job besonders.“

Katharina Führer im Podcast-Gespräch

Pädagog*innen bei SOS-Kinderdorf

Bei SOS-Kinderdorf finden pro Jahr rund 1.900 Kinder und Jugendliche ein neues Zuhause in Wohngruppen und SOS-Kinderdorf-Familien. Sie werden von rund 1000 Pädagog*innen betreut. Die Kinder haben durch ihre Erfahrungen (Vernachlässigung, Gewalt) meist einen schweren Rucksack zu tragen. Die Pädagog*innen sind ausgebildeten Expert*innen, die Wissen über die Auswirkungen von Traumata haben, psychische Krankheitsbilder erkennen können und damit professionell umgehen. Gemeinsam mit den Kindern arbeiten sie daran, ihren schweren Rucksack Stein für Stein auszupacken.

Die Pädagog*innen arbeiten als Team zusammen und wechseln sich im Dienst ab. Sie sind enge Bezugspersonen für die Kinder und Jugendlichen. Sie bieten jedem der uns anvertrauten Kinder tragfähige Beziehungen an, die auf Empathie, Verbindlichkeit und Gewaltfreiheit beruhen. Die Pädagog*innen unterstützen die Kinder in ihrer Entwicklung und auf dem Weg zur Selbstständigkeit in allen ihren Bedürfnissen. Das betrifft alles rund um Ausbildung und Schule sowie die Gesundheit. Genauso wird miteinander gespielt und gefeiert, es werden Geschichten vorgelesen und Ausflüge gemacht. Die Pädagog*innen helfen außerdem, Erlebtes aufzuarbeiten und unterstützen die Kinder in ihren Beziehungen zu den leiblichen Eltern.

SOS-Kinderdorf ist österreichweit laufend auf der Suche nach qualifizierten Sozialpädagog*innen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen.

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