Während der blutigsten Kämpfe in Aleppo riss der Kontakt zu seiner Schwester und zur Familie seiner Schwester ab. Er betete hoffnungsvoll, die Familie möge rechtzeitig geflohen sein und irgendwo in einem Flüchtlingscamp Schutz gefunden haben. "Möge ihnen Gott Kraft geben und sie zu mir bringen!" Jeden Tag hoffte er auf ein Lebenszeichen.
Kareem hingegen dachte wenig bis gar nicht an seinen Onkel. Er wusste, dass seine Mutter regelmäßig mit ihm telefonierte und sie ihn wohl sehr gern hatte, denn nach den Telefonaten glitzerten Tränen in den Augenwinkeln der Mutter. Dann kam der Krieg, Aleppo wurde bombardiert und die Kindheit Kareems zerfiel in Staub und Blut. Seine Mutter starb vor seinen Augen. Er erinnert sich an die Flucht über Berge aus Schutt, durch Schluchten aus Ruinen, über verdorrte Felder in mondhellen Nächten, an den tröstenden Händedruck seines Bruders, der ihm Sicherheit gab. Und er erinnert sich an seinen liebevollen Papa, der ihm, überfordert vom Tod seiner Frau und vom Krieg, ein fremder und gefährlicher Mann wurde.
In einer Stadt, Kareem erinnert sich nicht an den Namen, standen sie in einer Menschenmenge. Plötzlich: Panik, Chaos, Geschrei. Als sich der Staub legte, war sein Bruder fort, verschwunden. Kareem allein. Hilflos. Ausgeliefert.
Mit diesem Tag war Kareems Kindheit entgültig beendet.