10 Jahre SOS-Jugendwohnen Innsbruck

Auf eigenen Beinen stehen 

In der therapeutischen Jugend-Wohngruppe in Innsbruck finden Jugendliche seit 10 Jahren ein neues Zuhause. Renate aus Osttirol hat hier durch intensive Begleitung gelernt, selbstbewusst über ihre Gefühle zu sprechen und sich selbst zu akzeptieren. 

"Es war ein sehr familiäres Umfeld"

Die Osttirolerin Renate fand bei SOS-Kinderdorf Zuflucht, als sie mit 17 Jahren unter Mobbing in der Schule litt. „In Osttirol kennt jeder jeden und es wurden viele Gerüchte verbreitet, das war damals einfach zu viel für mich. Ich sah keinen Ausweg mehr und wollte mir das Leben nehmen. Ich bin dann als erstes in die Jugendpsychiatrie nach Klagenfurt gekommen.“ Dort wurde ihr geraten für eine Zeit lang in ein anderes Umfeld zu ziehen. Im Sommer 2014 erhielt Renate ein Zimmer in der Jugendwohngruppe in Innsbruck, später zog sie dann in den zweiten Stock in eine Garçonnière. An die Zeit in der WG kann sich die heute 26-Jährige gut zurückerinnern: „Ich war dankbar, dass ich hier immer jemand hatte, der mir zuhört und meine Probleme ernst nimmt. Wenn ich zum Beispiel Angst vor einem Termin hatte, gab es immer jemand, der ein offenes Ohr für mich hatte oder mich zum Termin begleitet hat. Nadia hat mir damals die Stadt gezeigt und mir geholfen, mich in meiner neuen Umgebung zurecht zu finden. Es war ein sehr familiäres Umfeld.“

Eine selbstbewusste Frau

Während ihrer Zeit in der WG fängt Renate eine Lehre beim Baumarkt Würth Hochenburger an. „Ich habe beim Bewerbungsgespräch offen über meine psychischen Probleme gesprochen und war überrascht, dass ich die Stelle bekommen habe – diese Akzeptanz hat mich als Person gestärkt.“ Bis zu ihrem 20. Lebensjahr lebt Renate in der Wohngruppe und schließt ihre Ausbildung mit Auszeichnung ab. „Das Leben in der WG hat mir geholfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe aus dieser Zeit vor allem mitgenommen, dass ich okay bin wie ich bin – mit meinen Höhen und Tiefen, meinen Stärken und Schwächen. Ich habe viel gelernt durch die Therapien und Gespräche – ich zeige jetzt meine Gefühle, spreche darüber und bin eine selbstbewusste Frau.“

Heute lebt die 26-Jährige in Silian in Osttirol und ist als Einzelhandelskauffrau im Baustoffhandel tätig. Sie will auch anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen: „Man muss nicht alles im Leben alleine bewältigen, es ist in Ordnung und menschlich, wenn man Hilfe braucht. Durch die Unterstützung in dieser schwierigen Zeit konnte ich mir ein selbstständiges und zufriedenes Leben aufbauen. Das hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin.“   

Erfolgsgeschichten 

Geschichten, wie die von Renate, erfüllen die Betreuer*innen der WG mit Stolz. Die Pädagogische Leiterin Nadia Vettori ist auch heute noch mit Renate in Kontakt: „Es ist immer wieder schön und berührend zu sehen, wenn wir Jugendlichen helfen können und sie Ja zum Leben sagen. Das sind Erfolgsgeschichten, die uns in unserer Arbeit bestärken und uns im Alltag antreiben. Alle jungen Menschen haben ein Recht auf eine gewaltfreie und liebevolle Lebenssituation.“ Generell wünscht sich Nadia Vettori mehr Bewusstsein in der Gesellschaft für belastete Jugendliche: „Die Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen ist selbst im Jahr 2023 noch eines unserer größten und dringlichsten Aufgabenfelder. Es wird immer noch zu wenig darüber gesprochen. Neben der körperlichen, muss auch die psychische Gesundheit in der Öffentlichkeit stärker in den Fokus rücken, damit Signale von akuten Belastungen bei Jugendlichen frühzeitig erkannt werden.“  

 

In der Wohnküche der WG wird gemeinsam gegessen, geplaudert und Karten gespielt.

 

10 Jahre therapeutische Jugendwohngruppe Innsbruck

Im Dezember 2012 zogen die ersten Jugendlichen in die neu eröffnete therapeutische Jugendwohngruppe in Innsbruck ein. Seitdem haben dort über 70 junge Menschen, die sich in Krisensituationen befanden, professionelle Unterstützung, Stabilität und Sicherheit erhalten. Die Wohngruppe bietet 10 Plätze für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Neben den Einzelzimmern, die als Rückzugsort für die Jugendlichen dienen, gibt es eine moderne Wohnküche. Außerdem stehen zwei Einzimmerwohnungen zur Verfügung, in denen Jugendliche dann bereits für ein selbstständiges Leben trainieren und in ihrer Eigenverantwortung gestärkt werden.

 

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