Fragen und Antworten zu den Ergebnissen der Kinderschutz-Kommission

Der Kommission von Waltraud Klasnic wurde über Ersuchen von SOS-Kinderdorf Österreich zur Untersuchung und Aufklärung von möglichen Malversationen (finanzielle Unregelmäßigkeiten, Gewalt gegen Kinder, Missbrauch, Mobbing etc.) und zur Erarbeitung von konkreten Vorschlägen für die Zukunft im Bereich der internationalen SOS-Kinderdörfer in allen Kontinenten ins Leben gerufen. Seitens SOS-Kinderdorf Österreich wurde der Kommission für ihre Tätigkeit sowohl die volle Unabhängigkeit in ihren Untersuchungen und Entscheidungen als auch die volle Kooperation zugesichert.
In diesem Sinne hat die Kommission ihre Arbeit aufgenommen und bedient sich der international tätigen Anwaltskanzlei Pacher & Partner in der investigativen und juridischen Begleitung. Die Kommission hat auf ihrer Website Meldekanäle eingerichtet.
Alle Kommissionsmitglieder verfügen durch langjährige Tätigkeit über hohe Expertise für Kinder- und Opferschutz vor allem in den Bereichen Psychiatrie, Psychologie, Opferbegleitung, Recht, Pädagogik und Medien. Die Mitglieder sind Waltraud Klasnic (Vorsitzende), Mag. Caroline List (Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen, Graz), Dr. Kurz Scholz (Präsident des Wiener Stadtschulrates a.D. und langjähriger Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich), Univ-Prof.Dr. Johannes Wancata, Proffessor für Sozialpsychiatrie und Liter der klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Meduni Wien), Brigitte Dörr (Opferschutz-Expertin, Prof. Herwig Hösele (Koodinator der Kommission, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich).
Die seit Mai 2021 tätige ICC (Independent ChildProtection Commission) hat mit 31.12.2022 ihre umfangreiche Untersuchungstätigkeit beendet.
Zuvor erstellte die ICC beginnend mit dem zweiten Halbjahr 2021 Quartalsberichte, in denen auch mehrere konkrete Empfehlungen ausgesprochen wurden, die von SOS-Kinderdorf Österreich zugesagt und zum Teil bereits umgesetzt wurden.

Die Kommission hat bekannt gegeben, dass 19 Vorfallsmeldungen für 18 SOS-Kinderdorf Länderorganisationen untersucht wurden. Wobei sich bei vier Fällen Handlungsbedarf ergeben hat. Beim Großteil der Fälle handelt es sich um solche, die der Organisation bereits bekannt waren und an die Kommission herangetragen wurden. Die Kommission hat festgestellt, dass in den betroffenen Fokusländern von SOS-Kinderdorf Österreich seitens der Organisation die notwendigen und empfohlenen Maßnahmen gesetzt wurden.
Wir sprechen hier von einem sehr kleinen Teil der von SOS-Kinderdorf jemals betreuten Kinder. Klar ist, jedes einzelne Mal, wenn einem Kind Unrecht getan wird, ist einmal zu viel. Ganz besonders schmerzt die Tatsache, dass in vielen dieser Fälle den Opfern nicht zugehört oder geglaubt wurde.
Mit diesen schmerzhaften Erkenntnissen müssen wir nun umgehen. Wir werden aber deshalb nicht aufhören, für diese Kinder da zu sein und an der Weiterentwicklung unserer Organisation zu arbeiten.

Weltweit betreuen wir jährlich über 1,2 Millionen Menschen. Unsere Arbeit bewirkt für diese jungen Menschen einen wesentlichen Unterschied für ihr Aufwachsen und ihren weiteren Lebensweg. Ja, wir müssen eingestehen, dass bei einem kleinen Teil dieser Arbeit auch Fehler passieren und wir in der Vergangenheit den Schutz von Kindern nicht immer lückenlos gewährleisten konnten.

Diese Fehler sind unter anderem deswegen passiert, weil Richtlinien nicht eingehalten wurden oder zu weit ausgelegt wurden, weil der Schutz der Kinder nicht immer an erster Stelle gestanden ist und in vielen dieser Fälle den Opfern nicht zugehört oder geglaubt wurde. Dafür müssen wir nun als Organisation Verantwortung übernehmen und uns auch bei allen Betroffenen entschuldigen und versuchen, das entstandene Unrecht wiedergutzumachen.

Der überwiegende Teil unserer 40.000 Mitarbeiter*innen weltweit leistet täglich großartige Arbeit und setzt alles daran, Kinder bestmöglich zu stärken und zu unterstützen. Darauf können Sie vertrauen.
Gleichzeitig ist es für uns selbstverständlich, unsere internen Kontrollsysteme laufend weiterzuentwickeln und uns ständig auf den Prüfstand zu stellen. Wann immer es ein Verdachtsmoment gibt, dass es Kindern in unserer Obhut nicht gut geht, ist dem sofort nachzugehen. Und dennoch müssen wir uns stets bewusst sein, dass in dem sensiblen Bereich in dem wir arbeiten, auch in Zukunft Fehler passieren werden.

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum Schutz der Betroffenen keine Details zu den Vorfällen nennen können. Wir wollen keine Einzelfälle in der Öffentlichkeit darstellen, sondern den Opfern auch den Raum und die Zeit geben um mit dem Erlebten abzuschließen. Gleichzeitig gilt dieser Schutz natürlich auch denen, die uns den Vorfall zur Kenntnis gebracht haben.

Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen des Opferschutzes keine konkreten Angaben zu einzelnen Betroffenen geben. Wir stehen über die Kolleg*innen vor Ort mit den jungen Menschen im Kontakt. Es ist uns wichtig und unsere Verantwortung eine Geste der Wiedergutmachung zu setzen und ihnen Entschädigungen anzubieten. Darüber hinaus versuchen wir individuell zu schauen, welche Unterstützungen und Hilfeleistungen sie in ihrer aktuellen Lebenssituation brauchen. Das kann die Wohnsituation genauso betreffen, wie Unterstützungen im Bereich der Bildung oder Therapieleistungen.

Es ist wichtig, dass wir uns der Aufarbeitung durch die ICC gestellt haben. So ist es möglich, transparent zu analysieren, warum es in unserer Organisation zu Kinderschutzverletzungen und auch Misswirtschaft und Veruntreuung von Geldern gekommen ist. Wir werden daraus lernen und zukünftig noch besser im Sinne der Kinder und ihrer Familien handeln.
Aus den Empfehlungen der Kommission haben wir konkrete Handlungen für die drei Bereiche Richtlinien und Standards, internationale Zusammenarbeit und das Spendenwesen abgeleitet. Maßnahmen die wir bereits umgesetzt haben, sind eine neue, alle Organisationsbereiche umfassende Kinderschutzrichtlinie und eine neue Besucher*innenregelung für Spender*innen.
Ein wichtiges Instrument für das Erkennen und Schließen von Lücken im Kinderschutz ist das globale Ombudspersonensystem, welches bis 2026 weltweit ausgerollt wird. Dieses System stellt sicher, dass es unabhängige Beschwerde- und Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche gibt, die unzufrieden mit dem Umgang ihrer Anliegen durch SOS-Kinderdorf sind.

Ein erster konkreter Schritt, den wir bereits umsetzen konnten, ist die Überarbeitung unserer Besuchsregelungen in Betreuungseinrichtungen von SOS-Kinderdorf in Österreich. So sind die Privatzimmer der Kinder absolut tabu. Besuche finden zukünftig auch nicht mehr in den Wohnzimmern der Familien und Wohngruppen, sondern in Gemeinschaftsräumen statt.

Auch eine Überarbeitung der Spenden-Patenschaft für einzelne Kinder im internationalen Bereich wird aktuell angedacht. Um den Bedürfnissen nach Privatheit der Kinder gerecht zu werden, gibt es etwa in Österreich schon seit mehr als 20 Jahren ausschließlich Dorfpatenschaften, also regelmäßige Spenden für einen ganzen Standort und nicht ein einzelnes Kind.

Aktuell gibt es die Überlegungen, die Übernahme einer Kind-Patenschaft in Zukunft nicht mehr anzubieten, sondern stattdessen auf Dorfpatenschaften zu setzen. Für die Betreuung der Kinder ist gesorgt. Bestehende Patenschaften bleiben aufrecht. Es gibt aber auch jederzeit die Möglichkeit von einer Kind-Patenschaft auf eine Dorf-Patenschaft zu wechseln.

Seit dem Bekanntwerden der Fälle und der Aufarbeitung haben wir uns in Österreich intensiv damit beschäftigt und sehr genau definiert, welche Kriterien für Markenlizenzverträge erforderlich sind. Nun können wir auf Basis der Untersuchungsergebnisse der Kommission sofort ins Tun kommen und als erstes mit den Ländern, die von der Kommission untersucht wurden Markenüberprüfungsverfahren starten. Im Zuge dieser Überprüfungsprozesse sollen Problemfelder identifiziert und gemeinsam Lösungen im Sinne eines umfassend wirksamen Kinderschutzes erarbeitet werden.
Unser oberstes Ziel dabei ist, durch solche Verfahren, den Kinderschutz als eine Bedingung für Markenlizenzen zu stärken und gemeinsam mit den Ländern essentielle Schritte dafür einzuleiten. Um so eine Verbesserung der Situation im besten Sinne der Kinder zu erwirken. Der Entzug der Marke ist ein letztmöglicher Schritt. Das Ziel muss es sein, Anreize zu geben, die zur Einhaltung unseres zentral gesetzten Rahmens führen.

Wir stellen sicher, dass die Spenden genau dort ankommen, wofür sie gedacht sind. Dafür sorgt SOS-Kinderdorf mit gewissenhafter Verwaltung aller Spendengelder und wird zudem vom österreichischen Spendengütesiegel kontrolliert. So haben alle Spenderinnen und Spender die Garantie, dass ihre Unterstützung richtig ankommt.
Wir hoffen, dass unser konsequenter und transparenter Umgang alle Freundinnen und Freunde von SOS-Kinderdorf überzeugt, uns weiterhin ihr Vertrauen zu schenken. Denn nur mit ihrer wertvollen Unterstützung können wir das Leben vieler Kinder und Jugendlicher auf der ganzen Welt ein Stück besser machen.