­SOS-Lebenswege

„Ich kann Mama sein“

Nach einer schwierigen Zeit kommt Jasmin vor rund zwei Jahren mit ihrem Sohn in das Eltern-Kind-Wohnen im SOS-Kinderdorf Burgenland. Heute ist die junge Frau bereit für ein gutes, unabhängiges Leben in ihrer eigenen Wohnung. Auch wenn nicht immer alles rund läuft, hat sie gelernt, Verantwortung für sich und ihr Kind zu übernehmen.

 

Neues ausprobieren

Nudeln mit Salz. Das ist die absolute Leibspeise von Jasmins kleinem Sohn. „Das wünscht er sich jeden Tag, da muss man sich schon bemühen, Abwechslung reinzubringen!“, lacht die junge Frau. Dabei hat sie im SOS-Kinderdorf ihre Leidenschaft fürs Kochen entdeckt und könnte mittlerweile ganz andere Gerichte auftischen. „Ich muss ehrlich sagen, als ich hier eingezogen bin, konnte ich nicht kochen. Also gar nicht. Aber durch die Unterstützung, die ich hier bekommen habe, habe ich mich getraut, Sachen auszuprobieren, die ich davor nie gewagt hätte. Heute traue ich mich, Neues auszuprobieren“, sagt Jasmin, „auch im Umgang mit meinem Sohn“.
 

Die Ziegen im SOS-Kinderdorf sind Teil der neuen Umgebung von Jasmin und ihrem kleinen Sohn. 
 

Jasmin ist heute Mitte zwanzig und bereitet sich auf den Auszug aus dem Eltern-Kind-Wohnen im SOS-Kinderdorf vor. Fast zwei Jahre hat sie hier mit ihrem Sohn gelebt. Intensiv unterstützt und begleitet von Betreuer*innen, die ihr geholfen haben, ihr Leben wieder gut in den Griff zu bekommen. „Heute weiß ich, man schafft es. Wenn ich es geschafft habe, dann schaffen es alle anderen auch. Ich denke, jede Familie hat ein gutes Leben verdient. Und es ist einfach keine Schande, wenn man dazu manchmal Hilfe braucht.“

 

Hilfe für ein gutes Leben

Diese Hilfe war notwendig, als Jasmin nach der Geburt ihres Sohnes ins Strudeln gerät. Die Probleme häufen sich, finanziell steht sie nicht gut da und auch in der Beziehung läuft es nicht rund. „Ich konnte mich einfach nicht so um mein Kind kümmern, wie er es gebraucht hätte“, sieht sie es heute klar. Ihr Sohn kommt damals in eine Krisenpflege und lebt etwa zwei Jahre bei einer anderen Familie. „Das war für mich die schlimmste Zeit - zu sehen, dass ich einfach nicht für ihn da sein kann“, sagt Jasmin.

Aber die Bindung bricht nie ab, Jasmin besucht ihren Sohn regelmäßig und erhält schließlich von der Kinder- und Jugendhilfe die Möglichkeit, gemeinsam mit ihrem Kind in das Eltern-Kind wohnen im SOS-Kinderdorf Burgenland einzuziehen. „Die ersten Tage im Kinderdorf waren sehr neu für mich. Die Betreuer*innen waren zwar alle sehr nett, aber natürlich musste ich mich erst mal darauf einstellen, dass man so engmaschig betreut wird und regelrecht aufeinander pickt. Aber das war nur am Anfang so. Jetzt sind meine Betreuer*innen wie meine zweite Familie.“

 

Mit Unterstützung ihrer Betreuer*innen kommt Jasmin wieder auf die Beine und ihr Familienleben stabilisiert sich. 

 

In der ersten Zeit lernt Jasmin den gemeinsamen Alltag mit ihrem Sohn zu regeln. „Haushalt, Wäsche waschen, Wohnung kindgerecht einrichten. Das waren mal die ersten Schritte und Ziele. Danach kam ein Kindergartenplatz und die Jobsuche, um auch finanziell wieder auf die Beine zu kommen“, erzählt Jasmin. In wöchentlichen Zielgesprächen mit den Betreuer*innen wird Bilanz gezogen. „Was haben wir erreicht, woran könnten wir noch arbeiten?“

Wieder Vertrauen fassen

Und langsam stabilisiert sich die kleine Familie. „Es ist nicht jeder Tag gleich. Ich glaube, das wissen eh alle Eltern. Aber jeder Tag gibt uns neue Hoffnung. Kinder sind noch klein und wissen noch nicht, wie man dieses Leben lebt. Aber wir sind dafür da, um es ihnen zu zeigen. Manchmal gibt es Tage, an denen das sehr anstrengend ist. Aber die positiven Tage überwiegen. Und vor allem war mir von Anfang an klar, ich schaff das. Ich kann Mama sein.“

Die Zeit im SOS-Kinderdorf hat ihr vor allem Vertrauen zurückgegeben. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Mama. Vor allem weil es ihr auch zugetraut wurde. „Die Familien sind selbst die Expert*innen ihrer Lebensrealität“, sagt Bernadette Kalcher, Pädagogische Leiterin im SOS-Kinderdorf. Sie hat schon viele Eltern kommen und gehen sehen. Jede Geschichte ist eine andere. Jasmins Geschichte ist für Bernadette Kalcher ein Highlight. „Eine Mama vor mir zu sehen, die die Hilfe annehmen konnte und die es geschafft hat, wieder an die eigenen Fähigkeiten zu glauben und das jetzt einfach richtig gut macht, das ist wirklich das Allergrößte.“

 

Pädagogische Leiterin Bernadete Kalcher ist überzeugt: Die Familien sind selbst Expert*innen für ihr Leben.


 

Blick nach Vorne

Und wo sieht sich Jasmin in fünf Jahren?  „In unserer neuen Wohnung, gut angekommen, selbstständig. Einfach glücklich und zufrieden mit meinem Sohn. Ich weiß, dass ich jetzt nach vorne blicke und ich weiß, dass ich mich von nichts mehr unterkriegen lasse.“ 

Damit Familien nicht auseinanderbrechen...
Präventionsarbeit bei SOS-Kinderdorf

 

  • Eltern-Kind-Wohnen

Im Rahmen des Eltern-Kind-Wohnen ziehen ganze Familien – also Kinder gemeinsam mit ihren Eltern oder einem Elternteil – in eine Wohnung von SOS-Kinderdorf. Dort werden sie von einem Team an Pädagog*innen und Familenberater*innen für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren betreut, begleitet und gestärkt. Dadurch werden die Familien entlastet und bekommen Unterstützung bei ihren Herausforderungen im Alltag. So soll es gelingen, dass die Familie zusammenbleiben und langfristig wieder ein eigenständiges Leben führen kann und die Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden müssen. Nach zirka zwei Jahren wird im Optimalfall die Betreuung der Familie schrittweise beendet und die Familie gestärkt in ein eigenständiges Leben geführt.

2021 wurden rund 125 Personen, also Kinder gemeinsam mit ihren Familien im Eltern-Kind-Wohnen betreut und unterstützt.

 

  • Mobile Familienarbeit

Die Betreuung ist meist für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren geplant. Während dieser Zeit besuchen die Familienberater*innen von SOS-Kinderdorf zwei- bis dreimal pro Woche die Familien zuhause und begleiten auch bei Outdoor-Aktivitäten. Es gibt Termine gemeinsam mit den Kindern und Termine mit den Erwachsenen, wo es auch viel Platz für Dinge gibt, die die Eltern beschäftigen. Gemeinsam mit den Familien werden Fähigkeiten und neue Lösungsstrategien erarbeitet, die in Zukunft von den Eltern selbst angewendet werden können, um ihren Handlungsspielraum zu erweitern und um mit krisenhaften Situationen besser umzugehen.

2021 wurden 1.088 junge Menschen gemeinsam mit ihren Familien mobil betreut und unterstützt.

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